Speyer Kleinod in Gefahr

Kümmert sich um den Zustand des Russenweiher-Ufers und um die Gewässergüte: Anglerfreunde-Vorsitzender Martin Lipka.
Kümmert sich um den Zustand des Russenweiher-Ufers und um die Gewässergüte: Anglerfreunde-Vorsitzender Martin Lipka.

Jeden Tag kommt Martin Lipka an den Russenweiher im Neuland in Speyer-Süd. Er ist der Vereinsvorsitzende der Anglerfreunde Speyer, die den 1,4 Hektar großen Baggersee mit dem ungewöhnlichen Namen als Fischereigewässer gepachtet haben. Sie gehören zu denen, die immer wieder auf die von Mensch wie auch Natur verursachten speziellen Probleme des Weihers hinweisen.

Anders als von vielen Speyerern vermutet, rührt der Name des Gewässers nicht daher, dass russische Kriegsgefangenen den kleinen See im Ersten Weltkrieg ausgehoben hätten. Einen Bezug zu dem vor gut 100 Jahren für die Kiesgewinnen angelegten Weiher haben diese aber durchaus: Sie lebten in der Nähe des Ufers, da sie in der Möbelfabrik Orth in der Rheinhäuser Straße beschäftigt waren, und gingen häufig zum Baden an den See. Der frühere Chemielaborant Lipka kümmert sich heute um alles, was rund um die 1,2 Hektar Wasserfläche ansteht: mäht den Rasen, pflegt den Rundweg, befreit Wiesen von Müll und anderem Schmutz und kümmert sich vor allem um die Wasserqualität. Mittlerweile ist das Ehrenamt für den 65-Jährigen zum Halbtagsjob geworden, wie er sagt. „Für den Weiher ist dieser Einsatz unersetzlich.“ Gefährdet ist dieser dennoch: Immer wieder hört man von Problemen für die Heimat von Hecht, Schleie, Barsch, Zander oder Wels. Größere Mengen Phosphat sind in den circa 1,4 Meter hohen Sedimenten des durchschnittlich 2,5 Meter hohen Sees gebunden. Durch eine ehemals bestehende Verbindung zum Renngraben und zum Fischergraben sind die unerwünschten chemischen Verbindungen durch Dünger von Feldern in den Russenweiher gelangt. Phosphat ist zum Beispiel der Hauptnährstoff von Algen, es kommt zu einem übermäßigen Pflanzenwachstum. Wenn im Sommer die Temperaturen steigen, entziehen in der Folge Faulgase dem Wasser den Sauerstoff, wie Lipka erläutert. Im Herbst und im Winter sammeln sich große Mengen an Biomasse an, der Weiher verlandet immer mehr. Schon jetzt arbeitet der Anglerfreunde-Verein in Absprache mit der Stadt dagegen an: Frischluftanlagen wurden installiert, eine Flachwasserzone wurde eingerichtet, das Füttern von Enten wurde verboten, und der See wird bei Bedarf von großen Massen an Pflanzen befreit. Katrin Berlinghoff, die heute in Mannheim für eine Klimaschutzagentur tätig ist, beschäftigte sich in ihrer Masterarbeit mit dem Russenweiher und lieferte weitere Informationen über die nicht komplett geklärten Zusammenhänge. „Die Hoffnung unseres Vereins auf eine langfristige Lösung ist groß: Unsere Idylle mitten in der Stadt muss gerettet werden“, stellt Lipka klar. Mit einem weiteren Projekt will die Stadt jetzt einer Rettung des Gewässers näherkommen: Umweltwissenschaftler der Uni Koblenz-Landau suchen aktuell mithilfe moderner Technik nach Strategien. Das 50.000 Euro teure Projekt wird zu 90 Prozent von der „Aktion Blau Plus“ des Landes bezuschusst. Anwohner, ansässige Gärtner und Vereinsmitglieder sollen zum Nutzen des Sees befragt werden. Umstritten ist der Zuschnitt des Bebauungsgebiets, das nun am Ufer des Kleinods geplant ist. Wie berichtet, sollen bis zur Krummäckerstraße hin mehr als 120 Wohneinheiten entstehen. Unter anderem sei eine Wiese am Ufer betroffen, betont Lipka. Auf dieser leben heute geschützte Froscharten wie der Laubfrosch, welche umgesiedelt werden müssten. Zudem würden mehrere Bäume gefällt werden, welche von dem Kuckuck, dem Schilfrohrsänger, dem Specht, der Nachtigall und dem Eisvogel bewohnt würden. Heute werde die Grünfläche für Freizeitzwecke bis hin zu Yogastunden genutzt. „So schön wie jetzt wird es hier wohl nie mehr sein“, bedauert Lipka. Der Russenweiher ist für ihn eine Herzensangelegenheit. Die Serie Speyer hat den Rhein, aber auch noch viel mehr Gewässer – mit interessanter Geschichte, Flora und Fauna. Die RHEINPFALZ stellt sie zusammen mit Experten vor.

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