Speyer „Intensiv behandelt“

Der psychiatrische Gutachter kann beim 34-jährigen Hauptangeklagten im Prozess am Frankenthaler Landgericht gegen ein Ehepaar aus Neuhofen, dem teilweise gemeinsam begangene Vergewaltigung vorgeworfen wird, keine permanente Minderung der Schuldfähigkeit erkennen.

Keine schwerwiegende psychiatrische Erkrankung und kein „suchtartiges Verhalten“ beim Ausleben von sadistischen Fantasien, das hat Gutachter Professor Wolfgang Retz dem angeklagten Neuhofener bei der jüngsten Sitzung des Verfahrens bescheinigt. Der 34-Jährige hatte, in einem Fall gemeinsam mit seiner Frau, zwei junge Frauen in die Wohnung des Paares in Neuhofen gelockt und dort unter Anwendung sadomasochistischer Praktiken vergewaltigt. Dabei habe der Angeklagte beim Ausleben von Sexualität durchaus „eine ganze Reihe von Handlungsspielräumen“, sagte Retz, Leiter der Forensischen Psychiatrie und Psychotherapie an der Universitätsmedizin Mainz. Der Neuhofener sei also nicht per se zwanghaft auf das Ausleben von sadomasochistischen Fantasien angewiesen. Vielmehr pflege er mit seiner 23-jährigen mitangeklagten Ehefrau durchaus eine „normale“ Sexualität – und sei in der Lage, seine sadomasochistischen Neigungen auch einvernehmlich auszuleben. „Er hat es nicht gebremst – aber er hätte es bremsen können“, sagte Retz. Der 34-Jährige weise allerdings eine „Störung des Sozialverhaltens“ sowie „Merkmale sozialer Instabilität auf“ – begünstigt wohl auch durch eine schwierige Sozialisation: Der gebürtige Siegburger ist teilweise in Jugendheimen und bei Pflegeeltern aufgewachsen. In seiner Pflegefamilie ist er nach eigenen Angaben selbst sexuell missbraucht worden. Mit 17 Jahren stand er zum ersten Mal in medikamentöser psychiatrischer Behandlung. Er neigt laut Retz zu autoaggressivem Verhalten, zur Verhandlung am gestrigen Mittwoch ist er mit deutlichen Kratz- und Schneidemalen an den Unterarmen erschienen. Wegen sexuellen Missbrauchs seiner ersten Ehefrau schon 2007 zu einer Haftstrafe verurteilt, war der Angeklagte 2013 in der Justizvollzugsanstalt Ludwigshafen bereits in Sozialtherapie. Dabei sei er „sehr intensiv behandelt“ worden, sagte Retz. Allerdings habe sich, auch durch die anschließenden Taten, gezeigt, dass der 34-Jährige durch Therapie „nicht sehr gut zu erreichen“ sei. Vielmehr befürchtet der Gutachter ein Verfestigen und Fortschreiten der Verhaltensmuster, die zu den jüngsten Vergewaltigungen geführt haben. Der Verteidiger des 34-Jährigen, Sebastian Göthlich, bezweifelte, dass die Existenz von Handlungsalternativen tatsächlich gegen eine verminderte Schuldfähigkeit des Angeklagten sprächen. Hintergrund ist die Frage, ob der Angeklagte, der wie seine Frau die Taten bereits gestanden hat, im Regelvollzug oder in einer geschlossenen Einrichtung der Psychiatrie untergebracht werden soll – und ob eine eventuelle Sicherungsverwahrung im Anschluss an seine Strafe verfügt wird. Die Plädoyers dazu stehen in der nächsten Sitzung des Verfahrens am 10. Juli an.

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