Speyer Er kriegt auch einen

Späte Ehrerbietung: Kranz des „Spiegel“ am Speyerer Grab von Helmut Kohl.
Späte Ehrerbietung: Kranz des »Spiegel« am Speyerer Grab von Helmut Kohl.

Der verstorbene Altbundeskanzler Helmut Kohl war dem Hamburger Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ lange Jahre in herzlicher Abneigung verbunden. „Für Kohl war der ,Spiegel’ ein politischer Feind. Er hat sich von der Redaktion verfolgt gefühlt und hatte den Eindruck, dass der ,Spiegel’ ihn wegschreiben wollte“, hat Kohls früherer Medienberater Andreas Fritzenkötter eingeordnet – passenderweise im Interview mit dem „Spiegel“. Darin ist er auch die Anekdote losgeworden, dass Kohl in den 1990er Jahren am Wohnhaus von Konrad Adenauer in Rhöndorf gesammelte Kranzschleifen zu Adenauers Tod begutachtet habe. Er habe eine von „Spiegel“-Gründer Rudolf Augstein entdeckt und in die Runde gesagt: „Na, von dem kriege ich bestimmt keinen Kranz.“ Zur Geschichte gehört, dass zwei Wochen später ein handgeschriebener Brief aus Hamburg Kohl erreicht habe. Von Augstein. Es sei eine DIN-A4-Seite mit nur einem Satz drauf gewesen: „Sie kriegen auch einen!“ Wer nicht verstand, was damit gemeint ist, der wurde gestern aufgeklärt. In Speyer. „In stiller Trauer – DER SPIEGEL“ steht auf der weiß-goldenen Schleife, die das schmucke Gebinde ergänzt. Jemand hatte den Kranz hinter die neue Absperrung an der noch provisorisch befestigten Grabstätte im Adenauerpark bugsiert gehabt. Vor dem Zaun ein grüner Gruß von „Friedensradler“ Hans Herbrand, dahinter der vom „Spiegel“, sonst nur vereinzelte Kerzen. „Ich gestehe gerne: Ja, wir waren das! Der Kranz kommt vom ,Spiegel’ aus Hamburg. Denn wir halten unsere Versprechen – auch dies, das ,Spiegel’-Gründer Rudolf Augstein vor vielen Jahren Helmut Kohl gegeben hat …“, meldete gestern Anja zum Hingst, Leiterin der Kommunikationsabteilung des Nachrichtenmagazins, auf RHEINPFALZ-Anfrage. Mit vielen Grüßen in die Pfalz. Der stille Gruß verhallte nicht, weil der Berg von anderen Kränzen, in dem der einzelne völlig untergegangen wäre, am Grab seit Tagen abgeräumt ist. Vielleicht hat die Ehrerbietung fast drei Wochen nach der Beerdigung aber auch mit den teilweise als langwierig beschriebenen Entscheidungswegen im Hamburger Verlagshaus zu tun: Nach dem dort seit Augsteins Zeiten gültigen Redaktionsstatut dürfen bei wichtigen Entscheidungen viele mitreden. Sei’s drum. Kondoliert ist kondoliert. Und: Gestern Abend lag der Hamburger Kranz immer noch, sogar vom Rand in die Mitte des Grabes gerückt.

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