Speyer Die sanfte Kämpferin

Mit „We Shall Overcome“ sang Joan Baez die Friedenshymne schlechthin und trat beim legendären Woodstock-Festival auf. 47 Sommer später ist die 75-jährige Amerikanerin wieder bei einem Festival zu Gast: Am Mittwoch, 3. August, 20 Uhr, eröffnet sie „Musik im Park“ im Schwetzinger Schlossgarten.

Vier Jahrzehnte lang war Joan Chandos Baez die First Lady der Friedensbewegung. Die Folksängerin aus Staten Island/New York scheute keinen Konflikt und fühlte sich für alles und jeden verantwortlich. Ihre griffigen Protestsongs wie „We Shall Overcome“ oder „Where Have All The Flowers Gone“ wurden Liedermacher-Hits, ohne die kein Lagerfeuer-Gitarrist denkbar wäre. Selbst ihr Exfreund Bob Dylan wurde erst bekannt, als er ihre Lieder sang. Nach außen wirkt die sanfte Kämpferin stets zuversichtlich. Doch die 70er Jahre verbrachte sie abwechselnd mit Tourneen und Therapien wegen Panikattacken, Schlaflosigkeit sowie Phobien. In den 80ern fehlte es den Platten der aufrechten Friedenskämpferin immer mehr an Ausdruckskraft und Intensität. Am Ende suchte sie sich ein Refugium in der Natur, um dort ihre innere Stimme wieder zu finden. In den 90er Jahren scharte die Sängerin rebellischen Nachwuchs um sich: Michael Moore, Sänger und Songschreiber Steve Earle sowie den Frontmann der Rockgruppe Rage Against The Machine, Tom Morello. „Diese Leute betrachten die Welt mit jüngeren Augen“, erklärt die gereifte Sängerin mit dem klaren Tremolo. „Das war mir sehr wichtig, denn ich wollte für eine gewisse Zeit in diese Generation hinein schlüpfen.“ Nach Ausflügen in den Rock ist sie mittlerweile zu den Wurzeln zurückgekehrt. Ihren Akustik-Sound nennt sie „morphologischen Folk“. Mit einer Rock’n’Roll-Band im Rücken würde sie lächerlich klingen, glaubt sie. Die Sinnkrise der späten Jahre meistert die jugendlich wirkende Großmutter mit schwarzem Humor, der sich schon mal in schauerlichen Mörderballaden ausdrückt. „Diese Art Songs habe ich bereits ganz am Anfang meiner Karriere gesungen“, erzählt sie und bricht in schallendes Gelächter aus. In ihren Balladen sei fast immer jemand gestorben. Für sie sei es ein pures Vergnügen, dunkle Lieder zu singen. Denn das Publikum sei total in diese Geschichten eingebunden. Man könne seine Gedanken wunderbar schweifen lassen – bis es einen plötzlich mit der geballten Faust erwische, fügt sie hinzu. Eine Protestsängerin will Baez zwar nicht mehr sein, aber sie nimmt immer noch kein Blatt vor den Mund: „Die jungen Leute wissen gar nicht mehr, wofür sie sich einsetzen sollen, weil überall alles schief läuft.“ Von den kämpferischen Songs will sie sich nicht ganz lösen: Dylan-Klassiker wie „It’s All Over Now, Baby Blue“ und „Farewell, Angelina“ sind fester Bestandteil ihres Konzertprogramms. Jedoch hält sie diese Songs nicht mehr für relevant im politischen oder gesellschaftlichen Sinn. Ihren Erkennungssong „We Shall Overcome“ singt Joan Baez heute kaum noch in ihren Konzerten. Sie möchte vermeiden, zur Fahnenträgerin der Nostalgie zu werden. „Es nervt mich, wenn ich als Legende abgestempelt werde“, erklärt sie. Werde sie mit jener Zeit in Verbindung gebracht und als lebendige, frische Künstlerin wahrgenommen und respektiert, könne sie damit gut leben. Der musikalische Aspekt an ihren Songs ist ihr heute wichtiger als deren Botschaft. Auf ihrer diesjährigen Konzertreise will Baez auf jeden Fall auch Lieder von ihrem aktuellen Album „Diamantes“ präsentieren, das sie ursprünglich für ihre letztjährige Südamerika-Tournee zusammengestellt hat. Es enthält spanische Versionen von englischsprachigen Songs, die sie bereits in den 1980ern schrieb, und unveröffentlichte Live-Interpretationen von Klassikern wie „It’s All Over Now, Baby Blue“ und „Farewell, Angelina“ aus Dylans Feder. Der hatte zuerst ein Auge auf Joans jüngere Schwester Mimi geworfen. Hätte deren Freund dem jungen Dylan nicht klar gemacht, dass er sich nicht um Mimi, sondern lieber um die ebenso attraktive Joan bemühen solle, hätte die Popgeschichte einen ganz anderen Verlauf genommen. „Kritik an den neuen Königen“ Vorverkauf Eintrittskarten gibt es beim RHEINPFALZ-Ticketservice unter der Telefonnummer 0631 37016618 und der Internet-Adresse www.rheinpfalz.de/ticket.

Ihre News direkt zur Hand
Greifen Sie auf all unsere Artikel direkt über unsere neue App zu.
Via WhatsApp aktuell bleiben
x