Speyer „Der wichtigste Mensch steht vor mir“

Geht immer auf: Schwester Juliana öffnet an der Pforte des Klosters St. Magdalena für Schwester Raphaela.
Geht immer auf: Schwester Juliana öffnet an der Pforte des Klosters St. Magdalena für Schwester Raphaela.

Die Pforte im Dominikanerinnen-Kloster St. Magdalena sieht noch genauso aus, wie man sich eine Pforte vorstellt: ein kleines Zimmerchen, direkt neben der Eingangstür mit einem Fenster hinaus in den Klosterhof und einem zweiten zum Vorraum des Klosters. Das ist das kleine Reich von Schwester Juliana Acht. Hier ist die 77 Jahre alte ehemalige Sekretärin der Edith-Stein-Schule seit sechs Jahren täglich von 8 bis 18 Uhr anzutreffen. Nur wenn sie zum Essen geht oder zur Anbetung in die Kirche, wird sie abgelöst. Sie ist erste Ansprechpartnerin für jeden, der ins Kloster möchte oder dort anruft.

Prompt klingelt auch schon das Telefon. Ein Anruf von außen, das hört Schwester Juliana am Klingelton. Der Anrufer möchte wissen, ob eine Mitschwester besucht werden kann. „Die Schwestern haben keine eigenen Telefone“, erklärt sie. Deshalb ruft sie auf dem Stockwerk an. Wenn sie Glück hat, ist die Mitschwester in der Nähe und kann selbst abnehmen. Wenn nicht, hinterlässt sie eine Nachricht und bittet den Anrufer, sich später nochmals zu melden. Wenig später steht eine Gruppe Frauen an der Pforte. Sie möchten die Edith-Stein-Gedenkstätte besuchen. „Das ehemalige Zimmer, das Edith Stein bewohnt hat, und eine kleine Ausstellung sind immer für eine Besichtigung offen, eine Führung durch die große Ausstellung muss angemeldet sein“, erklärt Schwester Juliana. Sie koordiniert die Termine der Führungen. Manchmal haben Unangemeldete aber Glück, wenn Schwester Ramona, die durch die Schau führt, gerade Zeit hat. „Seit der Heiligsprechung von Edith Stein sind viele Touristen da“, erzählt sie. Sie hat sogar schon Gäste aus Amerika begrüßt. Viele kaufen auch Andenken in dem kleinen Klosterladen von Schwester Bernhilde. Wieder klingelt das Telefon. Diesmal kommt das Gespräch aus dem Kloster. Eine ältere Mitschwester braucht einen Zahnarzttermin, den Schwester Juliana gleich vereinbart. Dann wieder wird der Hausmeister dringend gebraucht. Den hat sie gerade noch in die gegenüberliegende Klosterschule gehen sehen, findet ihn daher schnell und kann ihm einen Zettel mit Aufgaben überreichen. Dann steht der Briefträger vor der Tür und will Post abgeben. Wenn die Telefone gerade mal schweigen und auch kein Besucher da ist, kümmert sich Schwester Juliana um die E-Mails mit Anfragen zur Gedenkstätte. Dommusik und Klosterschule haben eine eigene Pforte. Aber es kommt schon vor, dass sie auch Krankmeldungen von Schülern annimmt, wenn das Schultelefon auf ihre Pforte umgestellt ist. Hin und wieder kommt auch mal ein Jakobspilger vorbei und bittet um ein Quartier im Kloster. Eigentlich ist man nicht auf Übernachtungsgäste eingerichtet. Aber wenn der Pilger einen Pilgerausweis hat und gerade ein Zimmer frei ist, dann kann er bleiben. Bedürftige in Notsituationen klopfen auch immer wieder an die Pforte. Manche wollen ein Gespräch mit einer Schwester. „Ich bin nicht theologisch ausgebildet, ich vermittle dann aber einen Ansprechpartner“, erklärt sie. Andere bitten um ein Almosen, dann ruft sie eine Schwester, die Brot holt. Manche der Besucher kennt sie schon. Sie weiß, wer sich über ein Käsebrot oder eine Tasse Kaffee freut. Wo soll sie sie auch hinschicken, wenn sie sonntags kommen? „Einmal kam einer vorbei, der mich fragte, ob ich nicht was Süßes hätte. Es war Weihnachtszeit, und da habe ich ihm eine schöne Tüte gemacht“, erzählt sie. Schwester Juliana hat eine gute Menschenkenntnis bekommen. Wenn jemand wirklich unverschämt wird, macht sie auch mal das Fenster zur Pforte zu. Aber das kommt nur ganz selten vor, denn sie hat für jeden Besucher ein freundliches Lächeln. Ihr Grundsatz stammt von Meister Eckhart (1260 bis 1327), Mystiker und Provinzial der Dominikaner: „Der wichtigste Mensch ist immer derjenige, der im Augenblick vor mir steht.“ Die Serie Ohne Pforte geht es (noch) nicht in vielen großen Firmen und Organisationen. Die „Pförtner“ haben aber noch viel mehr Aufgaben, als nur die Türöffner zu drücken und Anrufe durchzustellen. Wir stellen Menschen und Aufgaben vor.

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