Speyer „Der Komponist gibt mir das Gefühl vor“

Musiziert mit der Staatsphilharmonie in der Gedächtniskirche: Andreas Brantelid.
Musiziert mit der Staatsphilharmonie in der Gedächtniskirche: Andreas Brantelid.

Für das Eröffnungskonzert ihrer Sommerresidenz am Donnerstag, 29. Juni, 19.30 Uhr, in der Speyerer Gedächtniskirche hat die Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz den dänischen Cellisten Andreas Brantelid als Solisten verpflichtet. Auf dem Programm stehen unter anderem das Cellokonzert des britischen Komponisten Edward Elgar und die „Reformationssinfonie“ von Felix Mendelssohn Bartholdy. Unser Redaktionsmitglied Silvia Sebastian hat mit Brantelid gesprochen.

Herr Brantelid, Elgars Cellokonzert soll musikalisch einen Moment des Zweifelns darstellen. Was erwartet die Zuhörer dabei?

Es ist ein sehr emotionales, ein fantastisches Stück. Elgar hat das Konzert 1918, also am Ende des Ersten Weltkriegs, geschrieben. Der Krieg machte ihn traurig, er war verzweifelt – und seine Musik ist sehr geprägt davon. Elgar war in einer depressiven Phase, als er dieses Konzert schrieb, das voller Verlangen und großer Emotionen ist. Das Stück hat aber auch einen tollen Humor. Es ist ein großartiges Konzert. Bereits als 14-Jähriger haben Sie Elgars Konzert aufgeführt – bei Ihrem ersten Auftritt als Solist, gemeinsam mit der Königlichen Kapelle Kopenhagen. Schon Ihr halbes Leben lang treten Sie also mit diesem Stück auf, mit verschiedenen Orchestern. Haben Sie nicht langsam genug davon? Nein. Ich verspreche, wenn ich jemals die Nase voll haben werde von Elgars Cellokonzert, werde ich es auch nicht mehr spielen. Hat sich Ihre Interpretation des Stücks oder Ihre Einstellung dazu in den vergangenen 15 Jahren verändert? Sie ändern sich jeden Tag, weil ich heute nicht dieselbe Person wie gestern bin. Doch geht es nicht so sehr darum, was ich fühle. Der Komponist gibt mir das Gefühl vor. Ich versuche, die Botschaft, das Gefühl dem Publikum zu vermitteln. Und ja, natürlich spiele ich heute anders als vor 15 Jahren. Ich analysiere das aber nicht. Sie wollten schon mit drei Jahren ein eigenes Cello haben… Ich habe um ein eigenes Cello gebettelt. Was hat Sie damals so sehr an dem Instrument fasziniert, was begeistert Sie heute daran? Als ich ein kleiner Junge war, war das natürlich eine ganz instinktive Wahl. Heute fasziniert mich vor allem, dass das Instrument und die Musik mich jeden Tag fordern. Ein Musiker muss sich ständig auf seinem Instrument weiterentwickeln, deshalb wird mir nie langweilig in meinem Beruf. Ich werde die Musik aber auch nie gänzlich meistern können. Sie lieben also die Herausforderung? Ich liebe und hasse das zugleich. Wenn ich etwa ein erfolgreiches Konzert gespielt habe, ist es manchmal schwierig, am Morgen danach festzustellen, dass mir dieser Erfolg fürs nächste Konzert nichts bringt. Für das muss ich wieder hart arbeiten. Sie kennen ja weder die Akustik der Gedächtniskirche noch das Orchester, mit dem Sie zusammenspielen werden. Wie viel Zeit wird Ihnen fürs gemeinsame Proben bleiben? Ich werde einem Tag vor dem Konzert anreisen, dann wird es eine Probe und vor dem Konzert vermutlich noch eine Generalprobe geben. Ich habe übrigens vor einigen Jahren schon einmal mit der Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz gespielt. Das Orchester macht gerade turbulente Zeiten durch: Chefdirigent Karl-Heinz Steffens und Intendant Michael Kaufmann haben angekündigt, ihre Verträge 2018 nicht zu verlängern. Haben Sie davon gehört? Oh... Nein, nein. Nun, die Stimmung im Orchester scheint gerade etwas angespannt. In ganz Europa scheint es das zu geben. Auch in Dänemark, wo ich lebe. Oder in Holland. Das ist furchtbar. Angespannte Stimmung im Orchester: Beeinflusst das Ihre Arbeit als Solist? Es tut mir vor allem sehr, sehr leid für die Menschen, die ihre Arbeit verloren haben. Das ist hier zumindest nicht passiert. Steffens und Kaufmann haben wohl selbst entschieden, zu gehen. Dann ist das Orchester also sicher? Das ist die Frage. Zurzeit ist das Orchester erfolgreich, doch es ist unklar, was passiert, wenn die zwei führenden Köpfe zur gleichen Zeit gehen… Dann werden wir alle beim Konzert mit Leib und Seele spielen. Dass die Menschen weiterhin im Orchester bleiben können. Als Kind hatten Sie zunächst gelernt, nach Gehör zu spielen, bevor Sie Noten lesen konnten. Hilft Ihnen das, wenn Sie mit Musikern und Orchestern spielen, die Sie kaum kennen? Nein, das denke ich nicht. Vielleicht, wenn ich Jazzmusiker wäre und viel improvisieren müsste. Aber bei klassischer Musik ist die Partitur die Quelle. Die Komponisten sagen uns, wie wir spielen sollen. Zum Beispiel bei Elgars Cellokonzert: Er gibt vor, dass die Musik „nobilmente“, also edel, erhaben gespielt werden soll. Das kann aber ganz Unterschiedliches für verschiedene Menschen bedeuten. Also ist es wichtig, erst mal eine eigene Vorstellung von der Musik zu entwickeln? Ja, ganz genau. Gerade im klassischen Genre gibt es die Gefahr, dass junge Musiker nicht in die Partitur schauen, sondern Aufnahmen von anderen Musikern anhören und dann deren Perspektive übernehmen. Deshalb hören sich viele Leute heutzutage gleich an. Vorverkauf Eintrittskarten gibt es bei den RHEINPFALZ-Servicepunkten, beim RHEINPFALZ-Ticketservice unter der Telefonnummer 0631 37016618 sowie unter der Internet-Adresse www.rheinpfalz.de/ticket.

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