Speyer Bachs experimentelle Seite

Wer brausenden Orgelklang liebt, ist bei einer geistlichen Abendmusik am Sonntag in der Speyerer Gedächtniskirche voll auf seine Kosten gekommen. Der Speyerer Organist Gerhard Nußbaum spielte Werke von Johann Nepomuk David, Johann Sebastian Bach und Max Reger.

Mittelstück des Konzerts war die „dorische“ Toccata und Fuge, zwischen die Nußbaum das „Adagio e Dolce“ in F von Bach als kontrastierendes, ruhigeres Stück mit relativ tiefem Holzbläserklang eingefügt hatte. „Dorisch“ ist eigentlich eine der archaischen Kirchentonarten des Mittelalters. Bach allerdings hatte schlicht d-Moll verwendet, die Noten jedoch ohne Vorzeichen notiert, so dass der Irrtum entstehen konnte. In Nußbaums Interpretation wirkte Bachs Komposition am Sonntag geradezu experimentell. In ungewöhnlichen und virtuosen Effekten fortschreitend, zog sich ein rhythmisches, lebhaftes Motiv durch die gesamte Toccata. Die komplexe, lange Fuge wirkte fremdartig archaisch mit stark betonten Bässen, sprang gegen Ende in mehreren Tonschritten steil in die Höhe und ließ ein donnerndes Finale folgen. Eingeleitet hatte das Konzert Johann Nepomuk Davids Partita über das alte Kirchenlied „Unüberwindlich starker Held Sankt Michael“. Im Entstehungsjahr 1945 hatte die Themenwahl – der Erzengel Michael wird als Streiter für das Gute angerufen - wohl einiges mit dem Zweiten Weltkrieg zu tun. Dass David als neuzeitlicher Komponist gilt, ist seiner Musik nicht anzuhören. Den Traditionen verpflichtet, konnte Nußbaum sie ohne Bruch neben Bachs Toccata und Fuge stellen. Das Kirchenlied erfuhr nach einmaligem Durchspielen mehrere Variationen, deren Stimmungen David in Satzbezeichnungen wie „langsam und schwer“ beschreibt, und endete mit einer Fuge. Den Abschluss des Konzerts bildete Max Regers Choralfantasie über Martin Luthers „Ein feste Burg ist unser Gott“. Variationen über diesen Choral sind im Reformationsjahr naturgemäß oft zu hören. Vier Strophen, vier Sätze – das passt zusammen. Die Sätze bieten viel Abwechslung zwischen dem brausenden „Allegro ma pomposa“ des ersten, einem lyrischen zweiten mit einem weiteren „Allegro“ und einem wahrhaft donnerndem „Maestoso“. Auch hier betonte Nußbaum vor allem die Bässe. Mit dem langsam fortschreitenden Rhythmus war das ein recht feierliches Reformationsstück.

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