Pirmasens Wenn Bewusstsein neu erwacht

Klaus Kadel-Magin erarbeitet seine Werke mit Acryl- und Ölfarbe sowie auch mit Naturharz.
Klaus Kadel-Magin erarbeitet seine Werke mit Acryl- und Ölfarbe sowie auch mit Naturharz.

Gibt es tatsächlich nur eine Wirklichkeit? Oder schaffen wir unsere eigene Realität? Fragen, die nicht nur Philosophen beschäftigen, sondern auch bildende Künstler. Etwa die vier, die aktuell ihre Arbeiten in der ehemaligen Lemberger Schuhfabrik von Peter Kaiser ausstellen. Bevor in dem Gebäude die "Löwenberg-Lofts" entstehen, wird der Raum noch einmal der Kunst zur Verfügung gestellt. Zur Vernissage am Freitag waren über 100 Kunstinteressierte gekommen.

Bis zum 1. Oktober zeigen dort die Künstler Klaus Kadel-Magin, Peter Padubrin-Thomys, Jürgen Rinck und Serge Wittmann Malerei, Siebdrucke, Radierungen, Holzskulpturen und Fotografie. Ihre recht unterschiedlichen Arbeiten haben sie unter das Motto „Raum schafft Bewusstsein“ gestellt. Eine These, die vielfältig in dem Ausstellungsraum umgesetzt wurde. Etwa durch die Herausforderung, welche die ehemalige Produktionshalle selbst zu bieten hat. Immerhin handelt es sich nicht um ein aufwendig verziertes Gebäude aus der Gründerzeit, sondern um einen Zweckbau aus den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts. Und die nüchterne Produktionshalle inspirierte sicherlich nicht automatisch zur kreativen Gestaltung. Doch die vier Künstler – allesamt in unserer Region beheimatet – ließen sich von solchen Schwierigkeiten nicht abhalten. Vielmehr haben sie ihre Bilder und Skulpturen geschickt arrangiert und so dem Raum eine ganz neue Anmutung verliehen. Etwa durch die großformatigen Malereien von Peter Padubrin-Thomys, den es von Halle an der Saale nach Hinterweidenthal gezogen hat. Seine Bilder wurden hängend an der Decke befestigt und teilen so den scheinbar endlos großen Raum in übersichtliche Sektionen. Doch die Malereien sind weit mehr als dekorative Raumteiler. Vielmehr zeigen sie ein ebenso verstörendes wie spannendes Bild der Welt. Bunt, energiegeladen und im eigenwilligen Stil von Comics lässt Padubrin-Thomys seine Figuren auf der Leinwand agieren. Ebenso kraftvoll, wenngleich auch farblich auf Naturtöne reduziert, präsentieren sich die grob bearbeiteten und dennoch detailreichen Holzskulpturen. Auch sie liefern ein Bild des Menschen, über das es sich nachzudenken lohnt. Ganz anders der Zweibrücker Fotokünstler Jürgen Rinck. Er präsentiert scheinbar ganz objektive Ansichten, in dem er die Welt auf Fotos bannt. 400 Bilder fasst er in Lemberg zu einer Wand mit dem Titel „Sieben Jahre im Smartphone“ zusammen. Was zunächst wie eine zufällige Sammlung von willkürlichen Motiven aussieht, erweist sich bei näherer Betrachtung als spannende Collage des Alltags. Die Fotos lassen den besonderen Blick Jürgen Rincks erkennen, der die Kamera zu seinem zweiten Auge werden lässt. Im benachbarten Elsass ist Serge Wittmann zuhause. Sein vielfältiges kreatives Schaffen hat eine ganze Menge mit Handwerk zu tun. Ganz klar ersichtlich bei den Holzskulpturen, die er aus verschiedenen Elementen zusammensetzt und so eine neue Aussage schafft. Seine Malereien bringt er auf Papier, das er selbst herstellt. Thematisch hebt sich der Künstler ganz bewusst von gewohnter Ästhetik ab. Da gibt es etwa die Skulptur „Der pissende Hund“. Oder das morbide Triptychon „Die Totengräber", das den Betrachter zu beängstigenden Friedhofszenen führt. Der vierte im Bunde ist Klaus Kadel-Magin aus Pirmasens, der als einziger Künstler der Ausstellung auf gegenständliche Motive verzichtet. Was aber zunächst wie abstrakte Farbstudien wirkt, erweist sich bei näherer Betrachtung als kraftvoller Ausdruck einer sehr speziellen Sichtweise. Immer wieder wählt er längliche Formen, welche den Hintergrund strukturieren. Ganz gleich, ob er malt oder Siebdrucke erstellt, immer wieder ist die typische Ausdrucksform des Künstlers zu erkennen. Die besteht auch in einer geschickten Verwendung von Farbe, die so intensiv und gleichzeitig dezent erscheint. Auf jeden Fall aber voller Energie und Bewegung. Stellt sich die Frage, ob es bei den vier Künstlern eine Gemeinsamkeit gibt, die sich in dieser Ausstellung offenbart. Tatsächlich ist es der Versuch, neues Bewusstsein zu schaffen und die Monotonie des Alltags zu durchbrechen. Das gelingt mit Sicherheit, denn jedes einzelne der ausgestellten Werke regt zum Nachdenken an. Auf jeden Fall macht die Werkschau Spaß. Auch das soll die Sichtweise der Dinge fördern. Info —Raum schafft Bewusstsein – Malerei, Grafik, Fotografie und Bildhauerei von Klaus Kadel-Magin, Peter Padubrin-Thomys, Jürgen Rinck und Serge Wittmann; Löwenberg-Lofts in der ehemaligen Peter-Kaiser-Fabrik, Sangstraße 24, Lemberg. — Die Ausstellung ist bis zum 1. Oktober jeweils samstags und sonntags von 14 bis 18 Uhr geöffnet. Infos auch unter www. raumschafftbewusstsein.de.

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