Landau Jung, motiviert, perspektivlos

Die Forschungsleistung der Universität Landau ist im Vergleich sehr gut. Damit kann die Hochschule nur punkten, weil sich die Wissenschaftler selbst ausbeuten. Sie arbeiten in der Regel wesentlich länger als vertraglich vereinbart. Weiterbildung: nicht vorgesehen. Ein Mitarbeiter spricht gar von „Rechtsbruch“.

Landau. „Das System ist letztlich so komplex, dass sich jede Stelle gegenseitig den Schwarzen Peter zuschieben kann.“ Das sagt Mirko Michel (Name geändert). Er ist Dozent, kein Professor, arbeitet also im universitären Mittelbau der Universität Koblenz-Landau, in der Forschung oder der Lehre. Wie fast alle Gesprächspartner, die sich bereit erklärt haben, mit der RHEINPFALZ über die Arbeitssituation an der Doppel-Uni zu sprechen, will er anonym bleiben. Alle Gesprächspartner haben befristete Verträge, alle haben sie Angst um ihre Zukunft. Und: Sie alle leiden unter den gleichen Bedingungen. Julia Fluck, Mitarbeiterin mit Doktortitel am Zentrum für Empirische Pädagogische Forschung in Landau, gehört zu denen, die ihre Kritik namentlich äußern möchten. Das hat einen einfachen Grund: Sie ist seit 2008 an der Uni beschäftigt, laut Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) muss nach zwölf Jahren fest angestellt werden. Utopisch in Landau. „Meine Zukunft ist nicht planbar“, sagt Fluck. „Es ist frustrierend, mit so hoher Qualifikation keine Zukunftsperspektive zu haben.“ Nach zwölf Jahren werde man durch einen jüngeren Kollegen ersetzt, stellt sie ernüchtert fest.

Fluck macht sich die Lehre nicht einfach

Die Psychologin arbeitet an einem Forschungszentrum und hat eine reduzierte Lehrstelle. Vier Semesterwochenstunden (SWS) unterrichtet sie, zwei SWS entsprechen einer Lehrveranstaltung, egal ob Seminar oder Vorlesung. 20 Arbeitsstunden pro Woche muss sie in die Vor- und Nachbereitung der Lehre investieren. Fluck macht sich die Lehre nicht einfach: „Pflichtreferate gibt’s bei mir keine mehr. Die Studenten hören in diesen oft schlecht aufbereitete, teilweise falsche Informationen.“ Andere Kollegen gehen mit der Lehrbelastung anders um. Mirko Michel sitzt in seinem Büro und hebt demonstrativ einen Stapel Hausarbeiten in die Höhe. Knapp 30 Stück, jede 15 bis 20 Seiten stark. Er beginnt aufzuzählen. Er sei für 39,5 Stunden angestellt, die tatsächliche Arbeitsbelastung pro Woche schätzt er im Schnitt auf 50 bis 60 Stunden. Davon entfalle etwa die Hälfte auf die Lehre, die andere Hälfte arbeite er für seinen Professor und erledige Verwaltungsaufgaben. Durch das WissZeitVG könne er nach sechs Jahren nicht weiterbeschäftigt werden, wenn er sich nicht weiterqualifiziere. Dazu müsste er an seiner Promotion arbeiten. „Das geht höchstens am Wochenende.“ In die Hausarbeiten, die sich vor ihm stapeln, werfe er nur kurze Blicke.

Vertrag: 21 Stunden, geschätzte Arbeitszeit: 35 Stunden

Diese Erfahrung schildert auch eine Kollegin: Sie arbeitet in Teilzeit. Vertrag: 21 Stunden, geschätzte Arbeitszeit: 35 Stunden. Immerhin nimmt sie sich Zeit für ihre Doktorarbeit, acht Stunden pro Woche. Zusätzlich. „Wenn absehbar ist, dass ich es nicht schaffe, werde ich abspringen. Sonst bin ich zu alt für den Arbeitsmarkt“, sagt sie. Einige Kollegen sind bereits abgesprungen, bevor sie den Doktortitel in der Tasche hatten. Reden wollen sie nicht. Ein Wissenschaftler, der bereits promoviert hat, unterstützt den Nachwuchs. „Es werden fast nur noch Hochdeputatsstellen geschaffen. Die Leute unterrichten dann 16 SWS“, sagt er. Bundesweit üblich sei ein Lehrdeputat von acht SWS. „Die Uni versucht, sich die Lehre so billig wie möglich einzukaufen.“ Junge Leute, ohne akademischen Titel, die sich nebenbei weiterqualifizieren müssten, seien eben günstig.

Studenten leiden unter Zeitnot der Dozenten

Für die Studenten bedeute die Zeitnot ihrer Dozenten: „Sie werden nicht qualifiziert.“ Bei den lehramtsbezogenen Studiengängen würden oft Referatsgruppen mit sechs oder sieben Vortragenden gebildet. Abgeben müssten sie dann eine einseitige Zusammenfassung. „Dabei wird kein Wissen vermittelt.“ In einigen Fachbereichen hätten die Studis ernste Probleme, Abschlussarbeiten anzumelden. Grund: Die wenigen Dozenten seien überlastet, da sie zu viele gleichzeitig betreuen müssten. Dabei solle die Uni Nachwuchswissenschaftler qualifizieren. „Das ist Aufgabe nach dem Gesetz.“ Die aktuelle Situation sei ein Rechtsbruch. „Es entsteht der Eindruck, das Land hat kein Interesse an Wissenschaft, sondern will eine reine Lehr- und Ausbildungsuniversität“, folgert er. Der Wissenschaftler hält das Land für den Hauptschuldigen an der Misere: „Seit Jürgen Zöllner weg ist (der SPD-Mann war von 1991 bis 2006 Bildungs- und Wissenschaftsminister, Anmerkung der Red.), hat das Land keine Vision. Die Hochschulen zählen nichts.“ Den Hochschulpakt sieht er dabei als Teil des Problems, nicht als Lösung: Die Uni müsse über die Kapazitätsgrenze hinaus Studenten annehmen, um an Geld zu kommen. Damit werde die Spirale weiter gedreht. In allen Fachbereichen sei die Situation ähnlich, sagt Professorin Gabriele Schaumann, ab April 2017 Vize-Präsidentin. Die Uni bemühe sich auch um Stellen, mit der Möglichkeit, sich weiterzuqualifizieren. Aber: Sie brauche die Lehre, deshalb stelle sie häufig zu vollem Lehrdeputat ein. Dennoch: „Die Nachwuchswissenschaftler sind sehr motiviert und machen das trotzdem.“

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