Landau Forschung im Land der Blutdiamanten

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Nina Engwicht war offenbar schon immer neugierig. Nach dem Abitur in Neustadt ist sie erst mal nach London aufgebrochen und hatte weder Arbeit noch Unterkunft, sondern nur die Adresse des Freundes eines Freundes eines Freundes. „Da wurde es mir auf dem Bahnhof in London doch zuerst ein bisschen mulmig.“ Dieses Gefühl habe sie bei ihren späteren Reisen noch öfter gehabt, „aber erst, als ich schon in der Situation drin war, nicht schon vorher.“ Sie blieb ein halbes Jahr in der englischen Hauptstadt, arbeitete in einer Gastwirtschaft und lernte sehr bescheidene Wohnverhältnisse kennen. Doch das war nur die Wartezeit auf ihren eigentlichen Plan: ein freiwilliges soziales Jahr in Frankreich, wo sie sich bei einer Nicht-Regierungs-Organisation (NGO) in Bordeaux um Kinder in den sozialen Brennpunkten der Vorstädte kümmerte. Während ihres darauf folgenden Studiums in Potsdam und Berlin verbrachte sie ein halbes Jahr in Russland, an der Universität in Nischni-Nowgorod. Fremde Menschen, fremde Orte, fremde Sprachen – davon hat sie sich nicht einschüchtern lassen, vielmehr hat es ihr Interesse geweckt. So ist es auch nicht verwunderlich, dass sie nach ihrem Studium der Neueren Geschichte, Politik und Publizistik ihre Magisterarbeit und ihre Doktorarbeit mit Feldforschung in Westafrika, in Liberia und Sierra Leone, verbunden hat. In beiden Ländern hatte Bürgerkrieg geherrscht. „Ich wollte herausfinden“, so Engwicht, „wie wieder innerer Frieden entstehen kann.“ Sie beobachtete die Arbeit der Kommissionen, die sich die Versöhnung und das Aufarbeiten des Konflikts zur Aufgabe gemacht hatten. Zwar ist in beiden Ländern Englisch Amtssprache, doch gesprochen werden meist Kreolisch oder Pidgin-English, eine einfach Variante des Englischen, weshalb sie Einheimische als Übersetzer und Fahrer brauchte. „Die längste Zeit war ich in Sierra Leone unterwegs“, erzählt sie. „Dort habe ich für meine Doktorarbeit auf dem Gebiet der Friedensforschung die illegalen Diamantenminen besucht und mit Schürfern und Händlern gesprochen.“ Thema ihrer Arbeit waren „Illegale Märkte in Postkonfliktgesellschaften: der sierra-leonische Diamantenmarkt“. Die sogenannten „Blutdiamanten“ aus illegalen Quellen waren zur Finanzierung des Bürgerkriegs genutzt worden – ein Umstand, der durch Hollywood-Filme und das Geschenk eines Säckchens Diamanten an das Model Naomi Campbell durch den Warlord (Kriegsunternehmer) Charles Taylor allgemein bekannt wurde. „Was passiert mit Kriegsökonomien, wenn der Krieg vorbei ist, das wollte ich wissen“, nennt Engwicht als Ziel ihrer Arbeit. Dafür war sie meist mit dem Motorrad in Sierra Leone unterwegs. „Ich bin nicht selbst gefahren, sondern habe bei meinem Fahrer und Dolmetscher auf dem Sozius gesessen.“ Die größte Gefahr, der sie sich ausgesetzt sah, war der chaotische Verkehr. Mit den Schürfern sei sie gut zurechtgekommen, sie waren recht offen. Illegales Schürfen zum Erzielen des Lebensunterhalts - dazu sehe man sich allgemein berechtigt. Von einem libanesischen Diamantenhändler, der unter den Schürfern die Stellung eines Patriarchen einnahm, sei sie sehr protegiert worden. „Die Leute fragten mich, wo ich herkomme, was ich dort wolle und ob ich verheiratet sei und Kinder habe. Über meine Antwort, dass ich mit fast 30 Jahren weder verheiratet sei noch Kinder habe und erst mal ein Buch schreiben wolle, konnten sie sich vor Lachen nicht einkriegen!“ Inzwischen lebt Nina Engwicht wieder in der Pfalz und freut sich drüber. Die Freundlichkeit der Pfälzer im Vergleich zur Patzigkeit der Berliner empfindet sie als sehr angenehm. „Auch die Nähe zur Natur tut mir sehr gut. Ich gehe gerne auf die Kleine Kalmit und pflege meine Freundschaften“, erzählt sie. Ihr Arbeitsplatz ist das historische Frank-Loeb’sche Haus. Es ist Sitz ihres Arbeitgebers, der Friedensakademie Rheinland-Pfalz. Nina Engwicht beschäftigt sich dort als wissenschaftliche Mitarbeiterin, wie kann es anders sein, mit Friedens- und Konfliktforschung. (inki)

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