Neustadt „Unser Ziel ist, niemanden zu verletzen“

Harald Kühn zeigt, wie man einen Angreifer aufs Kreuz legt.
Harald Kühn zeigt, wie man einen Angreifer aufs Kreuz legt.

«Neustadt.»Harald Kühn hat die Prüfung zum dritten Dan im Aikido erfolgreich abgelegt. Der 56-jährige Landauer lehrt diese japanische Kampfkunst im Budo-Club Neustadt in der Talstraße. Auch wenn die Sportler in ihren weißen Baumwoll-Anzügen mit den weiten, schwarzen Überhosen aussehen wie aus einer ganz anderen Zeit, so ist die Sportart „Aikido“ doch erst rund 100 Jahre alt.

Sie ist eine Kombination aus den Techniken des traditionellen japanischen Schwertkampfes und der waffenlosen Selbstverteidigung Jiu-Jitsu. Beim Training bewegen sich die Neustadter Sportler geschmeidig, leise und sanft über die Matten. Was so spielerisch aussieht, wird im Falle des vorgetäuschten körperlichen Angriffs zu einem schnellen Konter. Die Energie des Angreifers ausnutzend, kontert Kühn mit einem Wurf. Alleine sein Auftreten, seine aufrechte Körperhaltung, seine besonnene Sprache, seine ruhige Ausstrahlung sorgen im echten Leben wohl dafür, dass böse Aggressoren schon einen großen Bogen um ihn machen lassen. Doch einmal sei er in eine Gruppe Männer geraten, bei denen die Stimmung vom Alkoholgenuss aufgeheizt war. Während andere Passanten die Polizei verständigt hätten, habe er diese Gruppe kontrollieren und auch mit einer Technik in Schach halten können. „Dabei ist unser Ziel, niemanden zu verletzen. Wir wollen Konflikte schon vorher entschärfen“, betont er. Vor rund 30 Jahren hat Kühn mit dieser Kampfkunst begonnen. Er suchte einen Ausgleich zur überwiegend sitzenden Tätigkeit im Beruf als Konzertgitarrist und Gitarrenlehrer. Es sollte etwas sein, was ihn nicht nur körperlich, sondern auch geistig forderte. Wie bei den meisten japanischen Kampfsportarten gibt es zu den jeweiligen Kenntnisstufen entsprechende Prüfungen, bei denen Techniken und Würfe gezeigt werden müssen. Die Anfänger starten mit dem sechsten Kyu. Wer bei dem ersten Kyu angelangt ist, kommt danach zu den verschiedenen Dan-Stufen. In Deutschland beherrschen die besten Sportler den sechsten Dan, Japaner bringen es auch zum achten Dan. Doch hinter all diesen Stufen liegt ein langer, mehrjähriger Prozess. „Die Zeit zwischen den einzelnen Prüfungen ist individuell. Wer fleißig trainiert, braucht ein Jahr bis zum nächsten Kyu“, erklärt Kühn. Er ließ sich Zeit mit dem Schritt zum dritten Dan. Es sei wichtig, sich auf den Weg einzulassen, sich zu entwickeln. Dabei spielten der Spaß an der Bewegung, die Atemtechnik sowie die innere und äußere Haltung eine Rolle. Kühn erläutert auch den Begriff Aikido. Das Wort setzt sich aus drei japanischen Silben zusammen. Ai steht für Harmonie, Ki für Energie und Do bedeutet unter anderem auch Weg. Trainiert wird intensiv. Die Verbeugung bevor der Trainingsraum betreten wird zeigt Respekt. Diese Verbeugung, Ju, wiederholt sich in der Gruppe. „Wir nehmen uns wahr, die Welt bleibt draußen. In dem Raum hat der Alltag keine Bedeutung. Dazu kommt der Aspekt, aufeinander zu achten, uns nicht zu verletzten“, betont Kühn. Die Bewegungen sind weicher als beim Judo. Hier liegt der Unterschied: Aikido ist eine Kampfkunst, Judo ein Kampfsport. Im Aikido gibt es keine Wettbewerbe. Nach den Aufwärmübungen und einem intensiven Stretchen folgen die tänzerischen Drehbewegungen. Sie sind Trockenübungen für die später geübten Würfe. Zunächst kommt die Fallschule an die Reihe. Dazu gehören Vorwärts- und Rückwärtsrolle sowie freier Fall. Paarweise werden danach Angriff und Verteidigungsübungen trainiert. Bei seiner Dan-Prüfung, die sich über eine Woche erstreckt hat, stand Kühn täglich sechs Stunden auf der Matte. Neben 20 Schwertformen mit Hieben und Verteidigung musste er 20 Übungen mit dem Stock und weitere Kombinationen mit Stock und Schwert vorführen. Geprüft wurden außerdem 30 verschiedene Techniken, um einen Gegner zu entwaffnen sowie 40 im Kampf Mann gegen Mann. Um die Prüfung zu bestehen, kam es auf die Qualität der Aufführung an. Auch im japanischen Bogenschießen Kyodo mit dem langen Holzbogen hat Kühn den dritten Dan erworben. Dazu besuchte er Tokio und lernte die Kultur in Japan kennen. „Sie sind gespalten zwischen Hightech, Popkultur und Tradition. So war Tokio unruhig, bunt. Aber in den Seitenstraßen landete man manchmal in einer ganz anderen Welt, fand ruhige Ecken und alte Tempel.“ In Neustadt schult Kühn die Aikido-Sportler des Budoclubs. „Auch wenn wir zur Selbstverteidigung ausbilden, es dauert mehrere Jahre, bis man die Techniken beherrscht“, betont er. Information Aikido im Budo-Club Neustadt: Talstraße 148, Telefon: 0152/21976779 oder 06341/689768, Internet: www.bcneustadt.de, E-Mail: haraldkuehn@arcor.de Trainingszeiten: Anfänger ab 14 Jahren: Montag und Mittwoch: 19 bis 20.30 Uhr; Fortgeschrittene: Montag und Mittwoch 20.30 bis 21.30 Uhr.

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