Neustadt Sonne im Ohr

Beschwor in seinem Solokonzert in der Marienkapelle die romantische Sehnsucht nach dem Süden herauf: Maximilian Mangold.
Beschwor in seinem Solokonzert in der Marienkapelle die romantische Sehnsucht nach dem Süden herauf: Maximilian Mangold.

«Kirrweiler». „Sehnsucht Süden“ hieß das Konzert des Leimener Klassik-Gitarristen Maximilian Mangold, mit dem die Reihe der „Kirrweilerer Kammerkonzerte“ in der barocken Marienkapelle am Samstag die diesjährige Saison abschloss. Mangold hatte dazu ein Programm mit Gitarrenmusik aus Italien, Spanien und Südamerika zusammengestellt, das stilistisch vom Barock bis ins 20. Jahrhundert reichte. Die Sehnsucht nach wärmeren Gefilden – die kam dabei von ganz allein angesichts der kühlen Temperaturen.

Ein einziges Stück, eigentlich zwei, war nicht ursprünglich für die Gitarre komponiert, die beiden ältesten, mit denen Maximilian Mangold sein Konzert eröffnete: Zwei kleine Sonaten von Domenico Scarlatti, wie eine Suite in einem Block hintereinander gespielt, waren ursprünglich fürs Cembalo geschaffen worden. Transkribieren habe er allerdings nichts müssen, meinte Mangold nach dem Konzert, die Noten ließen sich, genauso wie sie sind, mit der Gitarre spielen. Domenico Scarlatti, 1685 in Neapel als Sohn des seinerzeit als Kirchenmusiker, aber auch für seine Opern sehr berühmten Alessandro Scarlatti geboren, komponierte fast ausschließlich fürs Cembalo. Dieser instrumentale Schwerpunkt hatte seinen Grund: 1719 übersiedelte Scarlatti nach Portugal an den dortigen Hof, wo er die musikalisch hochbegabte Prinzessin Maria Barbara am Cembalo unterrichtete und ihr auch nach ihrer Heirat nach Spanien folgte. Die beiden Sonaten sind heitere und elegante Unterhaltungsmusik des 18. Jahrhunderts, die erste in sehr beschwingter Rhythmik, die zweite mehr liedhaft und sehr melodiös. Auch die zweite Halbzeit nach der Pause eröffnete Mangold mit einem Klassiker aus Italien, dem zweitältesten Stück, der Sonate Nr. 6 von Nicco-lò Paganini, dem „Teufelsgeiger“, der auch ein Meister der Gitarre war. Paganini komponierte zum eigenen Gebrauch, für seine eigenen Konzerte. Als Gitarrist wurde er allerdings nicht so berühmt wie als Geiger. Eher ein „Sonätchen“ statt eine Sonate nannte es Mangold, ein kleines, romantisches Gitarrenstückchen, das man sich gut als biedermeierliche Hausmusik vorstellen kann – ehe das Klavier im 19. Jahrhundert die Salons zu beherrschen begann, hatte die Gitarre in der Hausmusik eine große Zeit. Alle anderen Stücke des Konzerts waren zeitlich etwa zwischen Ende des 19. und Mitte des 20. Jahrhunderts angesiedelt. Miguel Llobet etwa, der von 1878 bis 1938 in Barcelona lebte, war Schüler von Francisco Tarrega, der die Technik des Gitarrenspiels zu einer neuen Höhe entwickelte und den Ruhm der spanischen Gitarrenmusik begründete. Llobet war zu seiner Zeit der berühmteste spanische Gitarrenvirtuose. Er komponierte ausschließlich für dieses Instrument. Vier kleinere spätromantische Stücke von verschiedenartigem Charakter – nur vermeintlich schlichte katalanische Volksmusik, jedoch sich in großer Raffinesse entfaltend – spielte Mangold als Suite. Das erste begann, wie wenn man leise von weitem jemanden spielen hört, der dann aber rasch näher kommt. Von Mario Castelnuovo-Tedesco, der 1895 in Florenz geboren wurde und wegen seiner jüdischen Herkunft 1939 in die USA emigrieren musste, hatte Mangold gleich zwei Stücke im Programm, eine Sonata in vier Sätzen als Hommage an Boccherini und ein „Capriccio Diabolique“ als Hommage an Niccolò Paganini. Castelnuovo-Tedesco, der 1968 starb, war ein ungemein fruchtbarer Komponist, der zudem in Hollywood die Musik zu 200 Filmen komponierte. Seine Hommage an Boccherini hat mit der Musik des 18. Jahrhunderts nur die Satzbezeichnungen gemein und ist ansonsten ein klanglich sehr farbiges Stück einer sehr späten Romantik. Das „Capriccio“ ist ebenso vertrackt und voller Effekte und Fingerakrobatik. Den offiziellen Schluss machte Mangold mit drei kleinen Stücken von Augustin Barrios Mangore aus Paraguay, in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts einer der größten Gitarren-Virtuosen Südamerikas. Manchmal sehr exzentrisch im Indianerkostüm auftretend, war er jedoch musikalisch eher in der europäischen Romantik zuhause, wie seine beiden Walzer deutlich machten. Mangold bewies mit dem Konzert, dass er völlig zurecht einer der gefragtesten klassischen Gitarristen in Deutschland ist. Nicht nur das Hören war ein Genuss, sondern auch zuzusehen, wie er seine langen, sehnigen Finger einsetzte. Großer Beifall in der vollbesetzten Kapelle zeigte die Begeisterung des Publikums, wofür er sich mit zwei Zugaben bedankte.

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