Neustadt Schicksal als Chance

Das ist Schicksal – sagt man so dahin, um anzudeuten: Da kann man nichts machen, da muss man durch. Schicksal, das klingt nach Verhängtem. Aufgeladen scheint die Last, das Geschehen legt fest wie Beton. Doch außer dem Tod ist alles Last und Nahrung zugleich. Kein Geschehen ist nur Katastrophe, und kein freudiges Ereignis hat nur Schokoladenseiten. Eine Trennung, ein Kennenlernen, eine Tränenflut, ein Lachen – was es bedeutet, ist deine Sache, dein Projekt, Mensch. Nur Schwärze, nur Leere, das ist schon sehr selten. Häufiger ist dir doch das andere geschehen: Schicksal als Chance, Einschränkung als Konzentration, Krise als Verwandlung. Wer alles kann, kann doch kaum etwas sehr gut. Wer aber eingeschränkt lebt, kann es zur Meisterschaft bringen. Früher warst du Hans Dampf in allen Gassen, heute hast du an Tiefe gewonnen. Was ist über dich hereingebrochen? Ja, es gibt Unfälle und Arges auch bei dir. Wir leben mehr vom Vorgegebenen als vom Gemachten. Allein schon die Klimazone oder die Geschwisterkonstellation oder dein Geschlecht entscheiden mehr als dein eigener Wille. Und doch ist dir das Geschickte immer auch Chance und Möglichkeit. Alles Schicksal ist Stoff, aus dem du Sinn gewinnen sollst. Es ist unser Auftrag, zum Gegebenen ein gutes Verhältnis zu hegen. Wenn wir bedenken, dass wir auf gar nichts einen Anspruch haben, ist nahezu jegliches Schicksal ein großes Los. In diesem Sinne antwortete einmal ein 90-jähriger Mann auf die Frage, wie es ihm denn gehe: „Ach, prima, wenn man die Alternative bedenkt.“ Christen glauben nicht an bleiern Verhängtes, sondern an einen Gott, der zum Guten führt; ja, der die Schöpfung in die Vollendung zieht. Mein kleiner Lebenslauf passiert in diesem großen Gefüge. Von dem sagt Gott: Siehe, es ist sehr gut! Nicht perfekt, aber sehr gut für Weiteres. So möchte ich es auch denken: Das Unvermeidliche ist das jetzt Notwendige. Ich will es mir zum Besten dienen lassen. Was ist, auch wenn es hart ist, will ich als Bestandteil eines guten Ganzen glauben, in dem ich zu dem werde, der ich sein soll. Der Autor Frank Schuster (53), Pfarrer an der protestantischen Martin-Luther-Kirche in Neustadt-Winzingen

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