Neustadt Kürzungen als Damoklesschwert

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Muss die Stadt Angebote wie das Boulevardtheaterstück »Der Kurschattenmann« mit Christine Schild und Jochen Busse finanzieren, das im Dezember 2015 in der Abo-Reihe »Leichte Muse« im Saalbau zu sehen war? Kulturdezernent Ingo Röthlingshöfer äußerte im Casimirianum seine Zweifel hieran.

«Neustadt». Ein klares Bekenntnis aller zur Kultur als kommunalpolitischer Aufgabe, ansonsten aber wenig Konkretes – das ist die Bilanz des Podiumsgesprächs der drei Neustadter Oberbürgermeister-Kandidaten zum Thema Kultur am Montag im Casimirianum. Einzig bei den städtischen Abo-Reihen im Saalbau wurden die Aussagen etwas deutlicher: Kulturdezernent Ingo Röthlingshöfer (CDU) ließ durchblicken, dass Kürzungen hier für ihn kein Tabu darstellten. Pascal Bender (SPD) und Marc Weigel (FWG) sprachen sich dagegen aus, eine solche Diskussion vor der Wahl zu führen.

Er stelle die provokative Frage in den Raum, ob man ein Angebot wie den „Kurschattenmann“ mit Jochen Busse, ein Theaterstück, das im Dezember 2015 in der Abo-Reihe „Leichte Muse“ im Saalbau zu sehen war, wirklich brauche und dafür eventuell ein Schülertheaterfestival nicht machen könne, weil das Geld fehle, sagte Röthlingshöfer, der bereits zuvor auf den hohen Subventionsbedarf („zum Teil 70 Prozent“) bei den drei städtischen Abo-Reihen im Saalbau hingewiesen hatte. Weigel und in schwächerem Maße auch Bender verteidigten dagegen die Saalbau-Angebote. Rund 60 Besucher waren der Einladung der Neustadter Kulturabteilung zu der von Robert Montoto vom Kulturbüro der Metropolregion Rhein-Neckar moderierten Diskussionsrunde gefolgt. Alle drei Kandidaten lobten die Vielfalt des kulturellen Angebots in der Stadt, zogen daraus aber unterschiedliche Schlüsse. Bender nannte unter dem Motto „Neustadt first“ die Stärkung der Neustadter Kulturvereine als wichtigstes Ziel einer von ihm verantworteten Kulturpolitik. Weigel sprach sich dagegen aus, lokale und auswärtige Angebote oder vereinsgetragene und städtische Kulturveranstaltungen gegeneinander auszuspielen, monierte aber auch „sehr viele Doppelangebote“, bei denen die Stadt freien Trägern Konkurrenz mache. Röthlingshöfer nannte die Förderung junger Kultur und die Kooperation mit dem Hambacher Schloss, das neben dem Wein in Neustadt der einzige Faktor von nationaler Ausstrahlung sei, als wichtigste Punkte seiner Agenda. Sowohl Weigel als auch Röthlingshöfer wiesen auf den Veränderungsdruck hin, der sich aus der schlechten Kassenlage der Stadt für die Kulturpolitik in nächster Zeit ergeben könne. Die restriktiven Vorgaben der Aufsichtsbehörden würden dazu zwingen, über kurz oder lang eine Diskussion über die Wertigkeit einzelner Angebote zu führen, sagte Weigel. Diese müsse auf breiter gesellschaftlicher Basis erfolgen. „Machen wir uns nichts vor, wir werden diskutieren müssen, wo wir einsparen“, sagte auch Röthlingshöfer. Bender rief dazu auf, als Kommune mehr Rückgrat gegenüber dem von oben aufgezwungenen Spardiktat zu zeigen und warnte vor „vorauseilendem Gehorsam“. „Wir reden von Kürzungen, obwohl wir noch nicht einmal wissen, ob sie kommen.“ Bereits zuvor hatte der SPD-Kandidat einen Kulturentwicklungsplan eingefordert, wie er in vielen anderen Städten bereits vorliege, um der bisherigen „Verzettelung“ der Neustadter Kulturpolitik durch eine klare Strategie zu begegnen. Auch Weigel bezeichnete ein entsprechendes Konzept als unabdingbar. Röthlingshöfer wies daraufhin empört auf Initiativen wie das von ihm angestoßene Kulturforum im März 2015 im Leibniz-Gymnasium und die vom Kulturbüro der Metropolregion moderierte Evaluierung der Neustadter Kultur im Juli 2016 hin (wir berichteten). „Das war der breiteste Diskussionsprozess, den wir bisher hatten.“ Weigel äußerte seine Sorge zur Zukunftsfähigkeit der Fördergemeinschaft Herrenhof und regte an, den Versuch zu unternehmen, den Bezirksverband Pfalz mit ins Boot zu holen. „Ich sehe die Stadt beim Herrenhof in der Pflicht“, sagte er. Der FWG-Politiker kritisierte außerdem die Landespolitik („Das Land hat die Kommunen im Regen stehen lassen“), aber auch die mangelhafte Kommunikation der Stadt beim Einwerben von Fördermitteln aus Mainz. Auch Röthlingshöfer äußerte Zweifel, ob der Herrenhof in seinen bisherigen Strukturen fortbestehen könne. Konsens herrschte bei allen drei Kandidaten darüber, das von der Landesverfassung garantierte Gut Kultur budgetrechtlich nicht mehr als „ freiwillige Leistung“, sondern als Element der Daseinsvorsorge zu begreifen. Röthlingshöfer bezifferte die Kulturausgaben der Stadt in der anschließenden Fragerunde auf rund zwei Millionen Euro pro Jahr, was etwa 1,5 Prozent der Gesamtausgaben entspreche. Davon würden 250.000 Euro durch Eintritte wieder hereingeholt. Größte Einzelposten seien die Stadtbücherei, das Saalbau-Programm und die Abteilung Archiv und Museum. Weigel ergänzte, dass die Kulturvereine von der Stadt jährlich mit 60.000 Euro gefordert würden, und hob hervor, dass Neustadt eine der wenigen Kommunen im Land sei, die solche Zahlungen noch leisteten. Als externer Experte wirkte der Wormser Kulturmanager David Maier an der Diskussion mit. Er warnte unter anderem davor, kulturelle Angebote nur noch an Ehrenamtliche zu delegieren, und lobte das große Interesse am Thema, das alle drei Kandidaten an den Tag legten: „Ich finde es toll, wie intensiv hier über Kultur gestritten wird.“

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