Neustadt Himmlische Harmonie

Keine Fan-Unterstützung: Gabriele Haubner, als Tochter von Herwig Maurer im Tal keine Unbekannte, spielte mit ihrem Trio grandio
Keine Fan-Unterstützung: Gabriele Haubner, als Tochter von Herwig Maurer im Tal keine Unbekannte, spielte mit ihrem Trio grandios, aber vor einem viel zu mageren Publikum.

«Lambrecht». Von Tanzweisen aus der Renaissance bis zu brasilianischem Feuerwerk reichte die Palette des „Trio Animato“ aus Reutlingen am Sonntag in der ehemaligen Lambrechter Klosterkirche. Nastasja Nürnberger-Schmeel an der Flöte, Birgit Pfrommer-Gohr an der Gitarre und Gabriele Habner mit Violine und Viola erfüllten das Schiff der Kirche beim vorletzten Saisonkonzert der „Sommerliche Abendmusiken“ mit anrührenden, weit tragenden Klängen. Neben der Virtuosität des Ensembles begeisterte die einzigartige harmonische Kombination der drei Instrumente.

Die Flöte, perlend leicht bis in die Höhen, und die Geige, akzentuiert gestrichen, führen musikalische Dialoge. Bei den drei Sätzen der Triosonate BWV 525 von Johann Sebastian Bach (1685-1750) übernimmt die Gitarre den Part des Continuos. Ursprünglich wurde das Werk im italienischen Konzertstil wohl für Blockflöte, Oboe und Cembalo geschrieben. Birgit Pfrommer-Gohr legt mit der Gitarre die harmonische und rhythmische Basis, lässt den Melodieinstrumenten Raum für Entfaltung. Das „Trio Animato“ beweist, dass es seinen Namen, übersetzt „beseelt, belebt“, absolut zur Recht gewählt hat. Und während sich das Adagio in Moll einfühlsam und elegisch präsentiert, legen beim Allegro die Melodieinstrumente stilistisch vorgegeben an Tempo zu, gehen imitierend und kontrastierend perfekt aufeinander ein. Abwechslungsreiche Gestaltung, Titelauswahl und Kombination der Instrumente ist der rote Faden im weiteren Programm. Sechs Lieder von John Dowland (1563-1626) erzählen von Liebe und Liebesleid. Gabriele Haubner mit der Violine ist naturgemäß zwar melodieführend, aber auch die Gitarre hat Raum, Virtuosität zu entfalten. „Can she excuse my wrongs“ erinnert den Zuhörer an einen Tanz, hier eine Gaillarde, in einer mittelalterlichen Burg. Man ahnt die Dramatik der erzählenden Textteile, dazwischen immer wieder der rhythmisch mitreißende, im Takt abgesetzte Refrain. „Flow my tears“ klagen Geige und Gitarre in harmonischem Moll, dynamisch fein abgestuft. Abschließend setzt auch die tänzerische Weise im Dreivierteltakt, „Awake, sweet love“, emotionale Akzente. Spanische Weisen leiten einen ganz anderen musikalischen Stil ein, zunächst mit „Andaluz“ und „Oriental“ von Enrique Granados (1867-1916). Die Lieder des spanischen Komponisten, ursprünglich für Klavier mit Singstimme vorgesehen, präsentiert das Trio als Transkription für Gitarre und und Flöte. Leise setzt das Saiteninstrument mit Akkorden ein, eng verwobene Klänge mit Dissonanzen entfalten Dramatik und expressives Temperament. Darüber gestaltet Nastasja Nürnberger-Schmeel, dieses Mal mit der Altquerflöte statt der großen Flöte, die leitende Melodie, die sich immer wieder mit der Gitarre in motivischen Dialog einlässt. National-spanische Elemente, so auch der rhythmisch betonte Flamenco, wechseln sich auch beim „El Puerto“ von Isaac Albeniz (1860-1909) ab mit orientalisch anmutenden Harmonien. Der Titel stammt aus Albeniz’ Klavierzyklus „Iberia“, einer Hommage an das sogenannte „Sherry-Dreieck“ in Südspanien, wo hochprozentiger Wein aus weißen Trauben entsteht. Tief berührend die Liebe zur Heimat und der Abschiedsschmerz in der Flötenstimme, die sich über eine sauber gespielte große Tonamplitude erstreckt. Und auch die Gitarristin nutzt die ganze Länge des Griffbretts in stetigem Lagenwechsel, reich verzierte Soli wechseln sich mit Continuo-Teilen ab. Weiter geht die Reise nach Argentinien mit der „Suite Buenos Aires“ von Maximo Diego Pujol (Jahrgang 1957). Die Komposition aus neuer Zeit (Pompeya, Palermo und San Telmo) setzen farbenfrohe Akzente im Konzert. Das Motiv kommt unbeschwert fröhlich daher, wird in widerstreitenden Dissonanzen verwoben, befreit sich aus diesem Netz. Wieder als Trio mit Flöte, Violine und Gitarre vereint, entfaltet jedes Instrument für sich kontrastierend und stimmungsvoll seinen individuellen Ausdruck. Dabei geht das Ensemble spielend leicht aufeinander ein, Blickkontakte zeigen Einsätze und Tempi an. Spanisches Temperament entfaltet letztlich die Gitarre, die nicht nur als Saiteninstrument dient, sondern auch als Percussion, wenn Pfrommer-Gohr den Rhythmus auf dem Korpus mitklopft. Besonderen Reiz haben auch die hoch und lang schwingenden Flageolett-Töne bei vielen Stücken. Hier wird die Saite vor dem Spielen nur schnell auf den Bund gedrückt und gleich wieder losgelassen, so entfaltet sie ihre ganze Obertonreihe. „Winter-Impressions“ von Sergio Assad (Jahrgang 1952) lassen Schneeflocken fallen, Schneegestöber mitfühlen und machen Lust auf Schlittenfahrten. Der Brasilianer schrieb das Stück „Fire Place“ aus dem Zyklus für das renommierte Kopenhagener „Trio Con Brio“, Uraufführung 1996 in Nürtingen. Das „Trio Animato“ entfaltet hier Klangfarben par excellence, erfüllt das Kirchenschiff – einem ganzen Orchester gleich. Nach einer Steigerung ins Fortissimo mit überraschendem Schluss erklingt nachhallender, verdienter Beifall. Wobei anzumerken wäre, dass auch bei diesem Konzert der Reihe die Besucherzahl mit rund 30 Personen weit hinter den Erwartungen zurückblieb. Zumal Triomitglied Gabriele Haubner in der Region ja keine Unbekannte ist: Als Tochter von Herwig Maurer, dem langjährigen Lambrechter Orchester- und Chorleiter und Begründer der „Sommerlichen Abendmusik“ vor 39 Jahren, hätte man auf etwas mehr „Fan-Unterstützung“ hoffen können.

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