Neustadt Fabrikneues Auto übungshalber zerlegt

Mit Spezialwerkzeug wird das Öffnen von Autos geprobt, hier ein Nullserien-Mercedes E 350.
Mit Spezialwerkzeug wird das Öffnen von Autos geprobt, hier ein Nullserien-Mercedes E 350.

Retten, Löschen, Bergen, Schützen: So sieht die Feuerwehr wohl fast überall auf der Welt ihre Aufgaben und nimmt sie auch wahr. Und trotzdem wird sie meist nur aufs Löschen reduziert – man ruft die Wehrleute eben meistens „dann, wenn’s brennt“. Im Alltag sieht das schon ganz anders aus. Ein Blick in die Einsatzstatistik der Haßlocher Feuerwehr zeigt, dass die Freiwilligen neben Bränden weitere Herausforderungen zu meistern haben: Nottüroffnungen, der Umgang mit brennbaren, ausgelaufenen Substanzen oder von Öl im Gewässer wollen gelernt sein. Also die sogenannte Technische Hilfe. „Das muss schließlich alles irgendwie geübt werden“, so Wehrleiter Marco Himmighöfer im Gespräch mit der RHEINPFALZ: „Darum sind wir sehr froh, dass wir jetzt eher spontan die Gelegenheit hatten, mal an einem topmodernen Auto zu üben.“ Gerade bei der Hilfe für Menschen nach Verkehrsunfällen zählt jede Sekunde. „Alle Handgriffe müssen dann sitzen“, weiß Himmighöfer. Aus diesem Grund übten seine Wehrleute jede Woche, und zwar auch regelmäßig mit alten Schrottfahrzeugen. Ein solches Altfahrzeug von der Deponie sei „schon für 50 bis 60 Euro zu bekommen“ und nach Gebrauch wieder unkompliziert zu entsorgen. Die große Sorge der Wehrleute sei eine ganz andere, so Himmighöfer weiter: „In der Realität haben wir es mit immer moderneren Fahrzeugen auf unseren Straßen zu tun, weil die Materialien immer fester werden und die Sicherheitssysteme noch ausgeklügelter geworden sind.“ Im mehrstündigen Workshop „Neue Fahrzeugtechnologien“ haben 16 Feuerwehrleute daher ein fabrikneues, frisch getestetes Nullserienfahrzeug (siehe „Stichwort“) mit ihren Scheren, Spreizern und anderem speziellen Gerät öffnen und so richtig auseinandernehmen dürfen, sagt Himmighöfer: „Das Auto ist danach komplett hinüber, muss ja aber sowieso zurückgegeben und in Einzelteilen entsorgt werden.“ Brandmeister Andreas Sellmeier, ein speziell geschulter Ausbilder für technische Hilfe und Mitglied der Feuerwehr Haßloch, brachte die Männer und Frauen zuerst in einer Theoriestunde auf den neuesten Stand der Fahrzeugtechnologie. „Inzwischen gibt es im Auto zudem nicht nur einen Airbag, sondern auch viele kleine für Knie oder Kopf“, merkt Himmighöfer an. Das alles wüssten Wehrleute zwar in der Theorie. doch wenn sie üben dürfen, sei der Wagen meist 15 Jahre oder älter und entspreche lange nicht dem neuesten Standard. Das Nullserienfahrzeug vom Mercedes-Benz-Werk Stuttgart konnte der Förderverein der Feuerwehr ergattern, freut sich Himmighöfer: „Das sind ganz neue Modelle, die nach Motortests und anderen Überprüfungen wieder entsorgt werden. Außer, eine Hilfsorganisation wie wir bekommt die einmalige und seltene Chance, daran zu üben.“ Lediglich 300 Euro Kosten für das Ein- und Austragen aus der Werksliste bei Daimler sowie für den Transport und sonstige Papiere sind laut Himmighöfer für den Förderverein angefallen, während das eingesetzte Automodell in Kürze auf dem Markt rund 50.000 Euro kosten werde. Auf diese Weise konnten die Haßlocher an einem neuen Mercedes Benz E 350 unter realistischen Bedingungen das Befreien von Menschen üben, die bei einem echten Unfall zunächst im Auto festsitzen und auf Hilfe warten. Einen alten Lkw möchte die Wehr ebenfalls bald wieder einmal zu Übungszwecken einsetzen. Bei Bussen sei es „noch schwieriger“, ein Exemplar zu bekommen und die Einzelteile später wie vorgeschrieben zu entsorgen. Auch alternative Antriebsarten bergen zusätzliche Gefahren im Einsatz, betont der Wehrleiter. „Die richtige Taktik und genaue Kenntnisse über den Fahrzeugaufbau sind wichtig“, findet Himmighöfer. Wo muss der Spreizer angesetzt werde und wie die Rettungsschere? Wo sind die Steuergeräte und Verstärkungsträger? Nach der dreistündigen praktischen Lehreinheit verfügen 16 Wehrleute jetzt über diesen „Zusatzbaustein im Ausbildungskonzept“, wie Himmighöfer es nennt. Für die Wehrleitung sei es nicht selbstverständlich, dass ihre Leute „sich neben der wöchentlichen Regelausbildung einen Samstag Zeit nehmen und sich umfassend weiterbilden, um im Ernstfall adäquat helfen zu können“. Das Leistungsniveau einer freiwilligen Feuerwehr kann, davon ist Himmighöfer überzeugt, „nur durch kontinuierliche Aus- und Weiterbildung auf einem hohen Stand gehalten werden“. Einige Sonderausbildungen, unter anderem eine den Atemschutz bei großer Hitze betreffende Übung auf einer speziellen Anlage, stehen bald auf dem Plan und werden ebenfalls durch den Förderverein bezahlt.

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