Neustadt Ein Auto im Klassenzimmer

Die chinesischen Gäste aus Fujian staunen nicht schlecht, als Stephan Wienk-Borgert, stellvertretender Leiter der Berufsbildenden Schule (BBS) Neustadt, ihnen die Klassenzimmer zeigt. Die Verbindung von Praxis und Theorie in der deutschen Berufsausbildung ist das Thema und zugleich eines der Schwerpunkte der Partnerschaft zwischen Rheinland-Pfalz und der südchinesischen Region Fujian.

Während im ersten Raum zwei „echte“ Autos mit offenen Motorhauben von einer eben absolvierten Abschlussprüfung zeugen, betritt man im zweiten Raum eine Bäckerei – täuschend echt mit Theke, Schaufenster und Plastiktorten. „Aber es duftet“, bemerkt einer der Gäste verwundert. „Stimmt“, bestätigt Wienk-Borgert, „denn im Nebenraum wird auch gebacken, dort findet man eine komplett eingerichtete Backstube.“ Die aktuelle Reise führt die chinesische Delegation nach Mainz, Koblenz, Worms, Speyer – und Neustadt. Denn auch in der langjährigen Beziehung zwischen Neustadt und seiner Partnerstadt Quanzhou spielt das duale Bildungssystem eine wichtige Rolle. Mehrmals haben Vertreter beider Städte das Partnerland besucht und Erfahrungen ausgetauscht, beraten und gelernt. Das duale Bildungssystem mit der engen Verzahnung von Theorie und Praxis ist in China nahezu unbekannt. „Wer Kfz-Mechaniker lernen möchte, geht zwei Jahre lang auf eine Schule, danach in einen Betrieb – wobei dies noch nicht mal ein Fachbetrieb sein muss“, erläutert Jochen Mogler, der bei der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) in Trier den Arbeitsbereich „Internationale Beziehungen - Europa, grenzüberschreitende Kontakte“ betreut. Eine Zusammenarbeit zwischen Schule und Ausbildungsbetrieb gebe es nicht. Handwerkskammern, die einen einheitlichen Standard in der Ausbildung gewährleisten, ebenso wenig. Doch steigender Wohlstand und Qualitätsbewusstsein führe zu einem Bedarf an gut ausgebildeten Fachleuten – nach deutschem Beispiel. Deshalb lauschen die Besucher aufmerksam dem Kurzvortrag von Wienk-Borgert, der das Prinzip der Berufsausbildung in Deutschland erklärt. Wichtigste Botschaften: Es gilt das Prinzip der zweiten Chance – Prüfungen dürfen wiederholt werden. Und Berufsbildung ist keine Einbahnstraße, denn es stehen immer alle Wege offen. Auch nach oben, sprich zur akademischen Laufbahn. Einige Folien in chinesischer Sprache zeugen davon, dass auch in Quanzhou selbst schon einige Seminare zu diesem Thema gehalten wurden. Eine Entwicklung des Bildungssystems braucht Zeit, aber es sei schon einiges geschehen, berichtet abschließend Haifeng Lin, Abteilungsleiter des Erziehungsamtes von Fujian. „Seit 2004 kann man mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung an einer Fachhochschule studieren“, so der Schulexperte. „Wir haben uns das duale Bildungssystem von Deutschland als Vorbild genommen, sind aber noch innovativer. Zurzeit arbeiten wir an sieben unterschiedlichen Bildungsmodellen.“ Wichtiges Anliegen sei nun zu eruieren, welche Kompetenzen und Qualifikationen die Unternehmen benötigten. Und dann drängt die Zeit zum Aufbruch, denn das Besuchsprogramm ist straff: Im Anschluss warten eine Stadtführung und der Oberbürgermeister auf die Gäste.

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