Neustadt Die Hoffnung auf Neuanfang in zeitlosen Bildern

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Neustadt-Hambach. Mit dem altorientalischen Gilgamesch-Epos begeisterte die „Theatergruppe Hoffnung“ unter dem syrischen Regisseur Ali Mousa am Sonntag im Hambacher „Theater an der Kurve“. Das eindrucksvolle Bewegungs- und Tanztheater erzählt die alte Geschichte des Königs Gilgamesch, der sich vom Tyrannen zum gütigen Herrscher wandelt. Kurze Dialoge zweier Flüchtlinge zwischen den sieben Szenen stellen Bezüge zur aktuellen Situation in Syrien her.

„Mama, warum gibt es in Syrien Krieg, Tod und Zerstörung?“, fragt das Mädchen, dargestellt von Saya Mousa, seine Mutter (Jacqueline Krehbiel). Deren Erklärung über Diktatoren und Gewaltherrschaft führt hin zur bewegenden Legende über Gilgamesch, den König von Uruk, der im heutigen Südirak von gut 4500 Jahren gelebt haben soll. Dieser spielt dann gleich in der ersten Szene der Haupthandlung eine ziemlich unrühmliche Rolle. Eine Hochzeit wird gefeiert – zehn Darsteller erzählen davon mit eindrucksvoller Bewegung. Der lustige Tanz wird jäh unterbrochen, als Gilgamesch mit Krone und Königsmantel die Bühne betritt. Alle müssen sich vor ihm verbeugen. Urplötzlich greift er sich ein Mädchen, wohl die Braut, sie muss mit ihm tanzen. Gestenreich wird ausgedeutet, dass der Herrscher mehr von ihr will, doch ihr junger Mann stellt sich dazwischen. Der Beschützer wird getötet, der König nimmt das Mädchen mit sich, obgleich die Gäste händeringend um Gnade bitten. Tanzend sträubt sich die junge Frau, doch der König kennt in seiner Begierde keine Gnade, was durch seine herrischen Bewegungen unmissverständlich klar wird. Letztlich betrauern alle den Toten und zeigen mit hochgereckten Armen ihren unermesslichen Zorn. Dann erstarren die Akteure mitten in der Bewegung, ein gelungenes Stilmittel in allen sieben Szenen. Vor der Kulisse dieses Standbildes beginnt der nächste kurze Dialog zwischen Mutter und Tochter. Erzählt wird, dass die Bewohner die Götter anflehen, den Grausamkeiten ein Ende zu bereiten. Und so kommt Enkidu, der Waldmensch, ins Spiel, dem die Erdengöttin Menschlichkeit und Liebe in einer eindrucksvollen Tanz- und Spielszene nahebringt. Enkidu wird nach Uruk zum König gebracht, damit seine Freundschaft das Herz des Königs erweiche. Zuerst ringen beide miteinander, dann liegen sie sich in den Armen. Vor diesem emotionalen Figurenbild wird auch das Mutter-Tochter-Gespräch intensiver und emotionaler. „Wurde Gilgamesch nun ein guter König?“, fragt das Mädchen. „Nein eigentlich nicht. Aber er hatte jetzt einen Freund, und dadurch wandelte er sich ein kleines Stück“, antwortet die Mutter. Dann die nächste Szene: eine Göttin will Gilgamesch für sich gewinnen und drängt sich zwischen ihn und Enkidu. Doch der König weist sie zurück, worauf sie Rache schwört. Die anfänglich ruhigen, tänzerisch anmutenden Töne, die die Szene begleiten, wandeln sich in bedrohliche Klänge. In der gesamten Inszenierung sorgt die Hintergrundmusik, von Regisseur Mousa passend zusammengestellt, für atmosphärische Verdichtung. So kommt der Dämon ins Spiel, von der Göttin aus Rache gesandt. Die Bühnenbretter erzittern unter den heftigen Sprüngen in der Kampfszene der drei Protagonisten. Gilgamesch bezwingt das Untier, weint aber dann über Enkidu, der strauchelt, fällt und seinen Verletzungen erliegt. „Ein gutes Zeichen für eine Veränderung zum Positiven“, meint das Mädchen im Dialog. „Vorher war er nur ein gewalttätiger und mordender Diktator ohne Gefühle“, bestätigt die Mutter. Verzweifelt über die allgegenwärtige Sterblichkeit macht sich Gilgamesch auf die Suche und erhält eine Pflanze als Mittel zum ewigen Leben. Im Mutter-Tochter-Gespräch wird die Parallele zur aktuellen Zeit deutlich, denn das Kind ist entsetzt darüber, dass der Herrscher damit ewig leben würde. „Die Diktatoren leben noch immer und töten Menschen! Bei uns in Syrien!“ Die nächste Szene zeigt allerdings, dass Änderungen immer möglich sind. Gilgamesch, der die Pflanze des ewigen Lebens durch Unachtsamkeit verliert, wird von einer Schlange gebissen, und wie die Schlange sich häutet und neu hervortritt, legt auch er nun die Gewalt ab. Zurück in Uruk, trifft Gilgamesch auf eine Gruppe Bauern. Sie sind bei der Arbeit auf dem Feld, pantomimisch überzeugend dargestellt, als würden sie tatsächlich säen, Pflanzen hegen und ernten. Die Veränderung im Wesen des Königs bedarf keiner erklärenden Worte. Er legt die Krone und seinen Königsmantel ab, hilft den Menschen bei der Arbeit und tanzt mit ihnen. Vor einem Kind kniet er sich hin, das Haupt zur Entschuldigung geneigt. Das Stück schließt mit einer Zukunftsperspektive für Syrien und die Flüchtlinge: „Ich hoffe, wir können zurückkehren, und dann bauen wir unser Land wieder auf“, sagt die Mutter. Die gut 80 Zuschauer im Hambacher Theater, die nicht alle einen Sitzplatz gefunden hatten , spendeten anhaltenden Applaus, begeistert von der Leistung der Laiengruppe, die derzeit aus etwa zehn Flüchtlingen und acht Deutschen besteht. „Ich hätte nicht gedacht, dass man so vieles ohne Worte ausdrücken kann“, staunt eine Besucherin. Wortlose Freude offenbarte sich auch bei den kurdischen und syrischen Festtänzen, die die Gruppe ebenfalls aufführte.

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