Neustadt „Bogengefecht“ auf hohem Niveau

Neustadt. „Sieben auf einen Streich!“ Nein, die Rede ist nicht vom tapferen Schneiderlein, sondern von den sieben Finalisten der Frühlingsakademie 2017, die sich am Donnerstagabend im Festsaal des GDA-Wohnstifts ein spannendes dreistündiges Bogengefecht lieferten und dabei Zeugnis vom außergewöhnlich hohen Niveau des diesjährigen Neustadter Meisterkurses für Violine und Viola ablegten.

„Wer hat Ihnen am besten gefallen?“, lautete gegen Ende des Wettbewerbskonzerts die Fragestellung. Diesmal waren sich das Publikum und das fünfköpfige, mit Profimusikern besetzte Expertengremium einig und sprachen der 25-jährigen Camilla Busemann sowohl den Publikums- als auch den Jurypreis für Violine zu. In der Kategorie Viola kürte die Jury Lara Sophie Schmitt zur Siegerin. Das „Casting“ für die Auswahl der Finalisten, gewissermaßen der Crème de la Crème der insgesamt 30 Kursteilnehmer/innen, fiel am Abend zuvor mit einem letzten Vorspiel in Gegenwart der beiden Dozenten Sebastian Schmidt und Roland Glassl. Um das Programm zu komprimieren – im letzten Jahr lief das Abschlusskonzert zeitlich etwas aus dem Ruder –, hatten sich die Kursleiter unter anderem entschieden, nur drei Bratscher für das Abschlusskonzert zu rekrutieren. Darunter war der 23-jährige Friedemann Slenczka als jüngster Teilnehmer, der gleich zum Auftakt den Sprung ins kalte Wasser der Avantgarde wagte und mit seiner angriffslustigen Wiedergabe der Sonate für Viola solo von György Ligeti alte Hörgewohnheiten in Frage stellte. Dass gerade die Bratsche auch butterweich klingen darf, demonstrierte er am Beispiel des blitzsauber artikulierten Konzertstücks des Spätromantikers George Enescu. Am Ende musste er sich allerdings dem wunderbar geschmeidigen Spiel von Lara Sophie Schmitt geschlagen geben und landete auf Platz zwei. Aber der Reihe nach: Während es bei den Bratschen traditionell rein spieltechnisch gesehen etwas entspannter zugeht, müssen die Geiger ganz tief in die Trickkiste greifen und Bravourstücke abliefern. Und die erinnern dann zuweilen weniger an Musik, sondern mehr an Hochseilartistik. Der Absturzgefahr ein Schnippchen schlug die 27-jährige Südkoreanerin Yunran Kim mit ihrer schlafwandlerisch sicheren Interpretation der mit unglaublichen technischen Finessen gespickten Fantasie über Themen aus der Oper „Der goldene Hahn“ von Rimski-Korsakov, die, gleichsam locker aus dem Handgelenk geschüttelt, das Wunderwerk Mensch dem atemlos staunendem Publikum vor Augen und Ohren führte und mit dem zweiten Platz im Fach „Violine“ belohnt wurde. Orientalisch-russische contra andalusische Klänge: Leidenschaft pur zelebrierten die feurig aufspielende 24-jährige Geigerin Farida Rustamova und die kongenial begleitende Nargiza Alimova in der Carmenfantasie von Pablo de Sarasate. Lohn der Jury für die überragende Leistung der jungen Aserbaidschanerin war der Förderpreis. Nicht ganz so feurig, sondern eher zurückhaltend, der wenig auftrumpfende, dafür aber musikalisch umso berührendere Auftritt der Violistin Yunqi Wang, die neben der Hindemith-Sonate op. 25/12 die berühmte Arpeggione für Viola und Klavier von Franz Schubert im Gepäck hatte und sich ebenfalls am Ende über einen Förderpreis freute. Im Wettstreit der Geigenvirtuosinnen lieferten sich Camilla Busemann (Schülerin von Sebastian Schmidt in Hamburg) und der Schweizer Anik Stucki ein spannendes Duell in Gestalt der „Variationen über ein eigenes Thema“ von Henryk Wieniawki, das vor allem in der Bewältigung technischer Hürden einen direkten Vergleich ermöglichte. So zählt zu den geforderten akrobatischen Leistungen das gleichzeitige Zupfen und Streichen der Seiten, von beiden in bester Paganini-Manier, vielleicht von Busemann einen Tick brillanter, präsentiert. Eigentlich streng genommen keine Überraschung: Die Intensität und bezwingende Musikalität ihres Mozart-Spiels im Einklang mir ihrer technischen Überlegenheit überzeugte gleichermaßen Jury und Publikum zur Vergabe des 1. Preises. Aber das Beste kam zum Schluss: Von der aus Wien stammenden und in Frankfurt bei Roland Glassl studierenden Bratschistin Lara Sophie Schmitt wird man hoffentlich noch öfter hören. Unvergessen bleibt ihr himmlisch schönes, von unübertroffener Tonreinheit gekennzeichnetes Bach-Spiel („Allemande“ aus der Suite Nr. 6 G-Dur) und ihre Überzeugungskraft als Brahms-Interpretin (Sonate für Viola und Klavier f-Moll op. 120/1), einfühlsam begleitet von Cornelia Weiß, die trotz zwischenzeitlicher Mutterpflichten in Sachen „Zusammenspiel“ zur kammermusikalischen Höchstform auflief. Lieben Sie Brahms? Ja, vor allem dann, wenn er so herrlich rhapsodisch und sanft zugleich die Seele im tiefsten Innern streichelt. Fazit: ein beeindruckendes Wettbewerbskonzert mit zwei rundum würdigen Preisträgerinnen.

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