Ludwigshafen Zeichen stehen auf Streik

91-64898804.jpg

Die Gewerkschaft Verdi will eine Aufwertung der sozialen Berufe erreichen. Erzieherinnen und Sozialarbeiter sollen ein angemesseneres Gehalt verdienen. Verdi fordert zehn Prozent mehr Geld. Nächste Woche könnte eine Streikwelle beginnen.

Steffi Jettenberger arbeitet im Erich-Kästner-Hort in der Ludwigshafener Stadtmitte. Die 45-Jährige ist stellvertretende Leiterin der Einrichtung, die sich tagsüber um Kinder zwischen sechs und 14 Jahren kümmert. Täglich kämpft sie mit Personalmangel, Papierkrieg und den Lebensumständen von Kindern in einem sozial nicht einfachen Umfeld. „Die Belastung wächst. Es gibt zu wenig Ausgleich. Die Leute gehen daran gesundheitlich kaputt“, klagt Jettenberger, die sich mit einem Team verteilt auf 4,5 Stellen um 60 Kinder kümmern soll. Seit über 20 Jahren ist Steffi Jettenberger nun im Job. „Wir fühlen, dass unsere Arbeit nicht genug wertgeschätzt wird“, sagt die Erzieherin. Jede Grundschullehrerin verdiene mehr Geld. Im Vergleich zu Skandinavien werde die Arbeit von Erzieherinnen nicht anerkannt. Dabei absolvieren Erzieher eine fünfjährige Ausbildung. Steffi Jettenberger ist unzufrieden und engagiert sich in der Gewerkschaft Verdi. Dort fungiert sie als Sprecherin der Vertrauensleute der 36 städtischen Kindertagesstätten in Ludwigshafen. Etwa zehn Prozent der Erzieherstellen in den städtischen Kitas sind derzeit nicht besetzt, was mindestens 65 Stellen entspricht, wie Verdi vorrechnet. Nicht viel besser sei die Situation bei kirchlichen und freien Kita-Trägern. Der Bedarf an Erziehern ist groß. Die Konkurrenz auch. In Heidelberg, Mannheim oder in Südhessen kann eine junge Erzieherin deutlich mehr als in Ludwigshafen verdienen. „Der Unterschied liegt beim Startgehalt so etwa bei 120 Euro“, sagt Gewerkschaftssekretär Wolfgang Mayer. Die Folge: Viele Fachkräfte aus der Pfalz wechseln in nahe gelegene Kommunen in anderen Bundesländern. Das verschärft den Personalmangel in Ludwigshafen. Doch die rheinland-pfälzischen Kommunen haben sich aufgrund der finanziellen Situation bisher darauf verständigt, keinen höheren Tarif zu zahlen. Einigkeit herrscht bei Arbeitgebern und Arbeitnehmern, dass die Arbeit der Erzieher und Sozialarbeiter wichtig sei. „Aber nur verbale Zugeständnisse nutzen nichts. Wir müssen den Dienst am Menschen besser vergüten und einen Bewusstseinswandel schaffen“, fordert Verdi-Bezirksgeschäftsführer Jürgen Knoll. Bundesweit will die Gewerkschaft die aktuelle Tarifrunde im öffentlichen Dienst nutzen, um die sozialen Berufe deutlich aufzuwerten. Den Gewerkschaftern schwebt eine Gehaltserhöhung von durchschnittlich zehn Prozent für die Beschäftigten in den Sozial- und Erziehungsberufen vor. Angesichts der leeren Kassen und der hohen Verschuldung der Kommunen wissen die Gewerkschafter, dass die Verhandlungen nicht einfach werden. Am Montag steht die nächste Runde an. „Sollte es keinen Abschluss geben, dann kommt es zu ersten Streiks“, sagt Bezirksgeschäftsführer Knoll. Dass die Drohungen ernst gemeint sind, zeigt ein Blick in die Vergangenheit: 2009 gab es einen 13-wöchigen Streik für bessere Bedingungen im Sozial- und Erziehungsbereich. Gut möglich also, dass sich Eltern schon ab kommenden Dienstag auf den Beginn einer neuen Streikwelle einrichten müssen – denn ernsthaft rechnet niemand mit einem Durchbruch bei den Tarifverhandlungen am Montag in Münster. ZUR SACHE Was Erzieher verdienen In Kindertagesstätten arbeiten vor allem Frauen, die Mehrheit in Teilzeit. In Rheinland-Pfalz bekommen Erzieherinnen teils deutlich weniger bezahlt als in Baden-Württemberg und Südhessen. So beläuft sich das Einstiegsgehalt einer Erzieherin in Ludwigshafen auf etwa 2370 Euro (brutto), für die gleiche Tätigkeit bekommt sie in Mannheim 2480 Euro. Die unterschiedliche Bezahlung verschärft den Personalmangel in Ludwigshafen: Etwa zehn Prozent der über 600 Stellen in den 36   städtischen Kitas können nicht besetzt werden. Es gibt zu wenige Bewerber. Unterdessen ist die Zahl der zu betreuenden Kinder   gestiegen, da das Mindestalter für einen Kita-Platz auf zwei Jahre gesenkt wurde. (mix/Quelle: Verdi)

x