Rheinpfalz Tod vor dem Polizei-Revier

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Ein 20-jähriger Mann ist in der Nacht auf Freitag in Mannheim erstochen worden. Sein 44-jähriger Vater wurde schwer verletzt. Die Tat ereignete sich direkt vor einer Wache. Dem Diensthabenden wird vorgeworfen, nicht geholfen zu haben. Die Polizei weist die Anschuldigungen zurück.

Mannheim. Auch zwölf Stunden nach der Tat zeugen die Blutlachen auf den Treppenstufen des Polizeireviers Mannheim-Innenstadt noch von den Ereignissen der Nacht. Erst gegen 13 Uhr werden die Spuren von Spezialisten beseitigt. Zahlreiche Anwohner und Schaulustige haben sich zu diesem Zeitpunkt an der Kreuzung vor dem Revier im Quadrat H 4 versammelt, können das Geschehene noch immer kaum fassen. „Wie kann so eine schreckliche Tat mitten in Mannheim und dann noch direkt vor den Augen der Polizei passieren?“, fragt eine Passantin bestürzt. Laut Polizei war es gegen 23 Uhr am Donnerstagabend, als es direkt vor dem Polizeirevier zu einer handfesten Auseinandersetzung zwischen sechs Männern kam. Der diensthabende Beamte habe das mitbekommen, sei daraufhin aus dem Fenster gesprungen und habe versucht, die Streitenden voneinander zu trennen, heißt es in einer gemeinsamen Pressemitteilung von Polizei und Staatsanwaltschaft. Als der Beamte wieder im Dienstgebäude war, eskalierte die Situation draußen. Einer zog wohl ein Messer, stach zu. Ein 20-Jähriger wurde dabei tödlich verletzt, ein 44-Jähriger erlitt schwere Verletzungen. Der Täter flüchtete wie auch die übrigen drei an den Auseinandersetzungen Beteiligten. Blim Rana, die in einer der Wohnungen direkt oberhalb des Polizeireviers wohnt, schildert ihre Wahrnehmungen von der Tatnacht so: „Ich habe Schreie gehört und bin sofort auf den Balkon gerannt. Dann habe ich den Mann am Boden liegen sehen. Keiner hat ihm geholfen. Nur ein Passant, der vorbeikam, kümmerte sich um den Verletzten. Von der Polizei war aber nichts zu sehen.“ Die Ereignisse haben ihr zugesetzt: „Ich konnte lange nicht mehr einschlafen.“ So bekam sie auch mit, dass gegen 3 Uhr nachts wohl Angehörige des Opfers an den Ort des Geschehens kamen. Sie hätten in Richtung der Polizisten gerufen: „Für was habt ihr Waffen? Warum habt ihr nichts getan? Wir haben ihn verloren“, erzählt Blim Rana. Auch Karwan Lavan hat aus ihrer Wohnung die Geschehnisse verfolgen können. „Ich habe gehört, wie der Mann um Hilfe geschrien hat. Aber ich bin erst gekommen, als alles schon zu spät war.“ Lavans Nachbarin war ebenfalls durch die Hilferufe aufmerksam geworden und erzählt: „Ich habe gehört, wie ein Mann schrie, dass die Polizisten die Türe aufmachen sollen. Aber keiner hat ihm geöffnet. Ich verstehe das nicht, die haben doch Waffen!“ Ein Angestellter eines Internetcafés hat den Tathergang ebenfalls mitbekommen. „Um 22.30 Uhr habe ich nahe F 3 Streitigkeiten gehört. Da bin ich rausgegangen, um zu gucken, habe aber niemanden gesehen, sondern nur Stimmen gehört“, erzählt er. „Gegen 22.35 Uhr haben wir dann Hilfeschreie gehört und sind sofort wieder raus. Da lag der 20-Jährige vor dem Revier auf der Treppe und hat versucht aufzustehen. Der Vater schrie laut um Hilfe und hat getobt. Und da waren noch andere Leute, die haben bei der Polizei mehrmals ans Fenster geklopft. Aber keiner kam raus.“ Polizei und Staatsanwaltschaft haben gestern Nachmittag Kritik an der Vorgehensweise des Beamten zurückgewiesen. Das Innenstadt-Revier sei am Donnerstagabend mit sieben Beamten besetzt gewesen, von denen zum Tatzeitpunkt allerdings sechs auf Streife waren. Der verbleibende Beamte habe gleich nach seinem ersten Eingreifen Verstärkung angefordert. Als er kurz darauf wahrgenommen habe, dass vor der Dienststelle eine blutende Person stand, habe er, zusammen mit einem Passanten, Erste Hilfe geleistet. Und zwischen der Anforderung von Verstärkung und dem Eintreffen von vier Streifenwagen am Tatort seien nicht mehr als fünf Minuten vergangen, heißt es in der Mitteilung weiter. Bei den Opfern handelt es sich um Vater und Sohn, das hat die Polizei auf Nachfrage bestätigt. „Dem Sohn wurde in die Kehle gestochen, und der Vater hat auch Stiche abbekommen“, erzählt ein anderer Augenzeuge am Morgen danach. Zu den Tätern kann der junge Mann jedoch nichts Konkretes mitteilen: „Das waren so fünf, sechs Leute. Aber mehr habe ich auch nicht gesehen.“ Gestern Nachmittag vermeldet die Polizei erste Ermittlungserfolge. Zwei Männer, die mutmaßlich an der tödlichen Auseinandersetzung beteiligt waren, konnten festgenommen werden. Zudem habe sich ein 22 Jahre alter Mann in Ludwigshafen der Polizei gestellt. Auch dieser sei festgenommen worden, verweigere seither aber alle Angaben zu seiner Rolle bei den nächtlichen Geschehnissen in Mannheim. Die Staatsanwaltschaft hat gegen ihn inzwischen Haftbefehl beantragt. Nach der sechsten an den Auseinandersetzungen beteiligten Person wird noch gefahndet. Warum es zu den Streitigkeiten kam, darüber hat die Polizei noch ebenso wenig Erkenntnisse wie über den genauen Hergang der Messerattacke. Das Puzzle, sagt eine Polizeisprecherin, muss jetzt erst nach und nach zusammengesetzt werden. Vielleicht kann das Video, das der Mann aus dem Internetcafé mit seinem Smartphone in der Tatnacht aufgenommen hat und das die Schreie am Tatort dokumentiert, ein Teil dabei sein. Zu sehen ist auf dem Handy-Video allerdings nichts. Dazu war es zum Zeitpunkt des Geschehens bereits zu dunkel.

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