Ludwigshafen Menschen aus zweiter Hand

Mario Sughi liebt die menschliche Figur so sehr, dass er gar nicht von ihr lassen kann. Man könnte ihn einen malenden Realisten nennen, aber so einfach ist das nicht. Jetzt stellt der in Dublin lebende Italiener in der Galerie Lauth in Ludwigshafen unter der Überschrift „Short Stories“ neue Arbeiten aus – eine Begegnung der etwas anderen Art.

Es sind immer Menschen wie Du und Ich. Bei alltäglichen Verrichtungen, unterwegs in der Stadt, rauchend, am Strand, alleine oder in Gruppen, blicklos füreinander oder mit irgendetwas beschäftigt. Plakative Farben, bekannte Haltungen: Banalität pur. Großflächig an der Galeriewand, sehr bunt. Eindeutig wie Poster eindeutig sind. Sieht ein bisschen aus wie von Alex Katz gemalt. Oder doch lieber ein bisschen wie bei David Hockney abgekupfert? Mario Sughi alias nerosunero (schwarzaufschwarz) wird die feine Verwandtschaft nicht abstreiten. Im Gegenteil, was man ihm ankreiden könnte, ist Prinzip. Er weiß, dass jede Geschichte, die erzählt wird, schon einmal erzählt worden ist: Nichts Neues unter der Sonne, aber intelligent neu arrangiert. Nicht zu ausführlich, die „Short Stories“ (mit Zusatz „and other Lies“) müssen rasch auf den Punkt kommen. Aber wer lügt da, und warum? Mario Sughi ist ein ausgebuffter Illustrator. Hoch professionell. Hat in Italien für satirische Magazine gearbeitet. Als Sohn des hoch geschätzten Malers und bekennenden Kommunisten Mario Sughi (1928 bis 2012) weiß er, was „Realismus“ in der Kunst heißt. Auf eine ziemlich verzwickte Weise ist er dabei geblieben, hat die Sache minimalistisch weitergedacht und das Tun (Bilder herstellen) über die Realität gestellt. In den späten 1980ern ist er nach Irland gegangen, hat in Dublin seinen Doktor in mittelalterlicher Geschichte gemacht und ist als Künstler dennoch voll auf der Höhe einer Zeit geblieben, in der die Individuen zu Abziehbildern zusammenschnurren und das Malen mit Farbe und Pinsel nicht mehr sein muss. Denn es handelt sich nicht um mit der Hand gemalte Bilder, sondern am Computer gezeugte Wechselbälger aus dem Pixel-Paradies, um auf edelstem Fotopapier absolut professionell gemachte Digitaldrucke in überschaubaren Auflagen. Sughis Figuren werfen Schatten, die allen Gesetzen der Physik Hohn sprechen. Er generiert „Landschaften“, die wie Zitate von bekannten Landschaften aussehen, „malt“ Gegenstände, die man mal auf ganz anderen Bildern gesehen hat. Dann diese Figuren, die wie Vertreter der Enkelgeneration eines Hockney oder Katz aussehen. Nichts ist wirklich real an den Ausblühungen von Sughis hochtourig arbeitender Vorstellungskraft, überaus trendy und mit einem Schuss hausgemachter Metaphysik. Einer Metaphysik der Bedeutungslosigkeit, die sich nicht ohne feine Ironie an den alten Bildern mästet. Alles in allem ein seltsamer, hoch origineller Fall von mit der Banalität konsequent Scherz treibender Malerei (oder Illustration?) über Malerei, um das böse Wort second hand zu vermeiden. Als „a story from afar“ hat Renato Barilli in der Überschrift zu einem Katalogtext Mario Sughis ausgebuffte Kunstpraxis umschrieben. Eine Geschichte, die von weither kommt. Auch: Eine populäre Maskerade mit ellenlangen Wurzeln in der Kunstgeschichte, insofern sehr zeitgemäß. Dem ist nichts hinzuzufügen.

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