Ludwigshafen Von Flüchtlingen und Samurai

Afrikanische Darsteller versuchen sich in japanischem Tanz.
Afrikanische Darsteller versuchen sich in japanischem Tanz.

Wer „Kabuki Noir“ im Theater im Pfalzbau gesehen hat, konnte eine mitreißende Performance erleben. Man konnte einiges über japanisches Kabuki-Theater erfahren, viel über Flüchtlinge und Grenzen und sehr viel über die Gruppe Gintersdorfer/Klaßen, die sich aus Deutschen und Afrikanern von der Elfenbeinküste zusammensetzt.

Die Regisseurin Monika Gintersdorfer und der bildende Künstler Knut Klaßen haben sie vor zwölf Jahren gegründet. Tanz, Gesang, Musik und Schauspiel sind die darstellenden Mittel ihrer Projekte, die meist aus Improvisation hervorgehen. Der gemeinsame Besuch eines Kabuki-Theaters in Japan war ein Aha-Erlebnis. In der vier Jahrhunderte alten Theaterform entdeckten die Performance-Künstler Codes, die auch für Gegenwartsthematik taugen. Sie trainierten Kabuki und haben einfach gemacht, was sie für ihre eigene Arbeit weiterführte. „Wir klauen nicht wie die Pop-Art“, wird in dem Stück gesagt. Performatives Theater inszeniert mit unterschiedlichen Mitteln die Auseinandersetzung mit einem Thema als einen Prozess, der auch zwischen Darstellern und Zuschauern stattfindet. Es hat damit auch das traditionelle Theater erobert und verändert. „Kabuki Noir“ wurde im Rahmen der Ausstellung „Skulptur Projekte“ in Münster entwickelt. Kabuki erzählt eine traditionelle allgemein bekannte Geschichte mittels Tanz, Gesang, Mimik, Sprache in wechselnden Tonlagen. All dies findet sich in „Kabuki Noir“. Dazu auffallende, zum Teil japanische Kostüme und der charakteristische Laufsteg, der ins Publikum hineinführt. Das blecherne Scheppern der Musik wird als asiatisch empfunden. Die Deutschen tanzen betont angelernt japanisch, die Afrikaner allenfalls andeutungsweise, sie tanzen westafrikanisch. Die Afrikaner leben sich aus – die Deutschen bringen sich ein. Das ist die vielleicht interessanteste Erkenntnis in diesem interessanten Stück. Die japanische Geschichte ist ein Nichts von Handlung und geht so: Ein gestürzter Fürst soll von seinen Getreuen über die Grenze in Sicherheit gebracht werden. Sie würden für ihn in den Tod gehen, aber das wäre zwecklos, denn die Grenze ist schwer bewacht. Deshalb setzt der Anführer der Samurai, der Treuste der Getreuen, auf Strategie. Sie verkleiden sich als Wandermönche. Schon sind wir in einer afrikanischen Flüchtlingsgruppe. Einer wettert, dass ihre „afrikanischen Brüder“ im Tschad sie verraten und verkauft haben. Er spricht französisch, die Sprache der Kolonialherren. Die Flüchtlinge haben ein Papier ihres Klosters, das sie als Mönche und zum Empfang von Spenden berechtigt ausweist. Es ist ein Fake, überzeugt den Grenzposten aber beinahe. Ein ritueller Tanz zur Anrufung Buddhas, der aber westafrikanisch ist, überzeugt ihn noch mehr. Vollends überzeugt ihn eine strategische Auflehnung des Samurai-Anführers gegen seinen fürstlichen Herrn. Der Deutsche nennt eine solche Auflehnung „zivilen Ungehorsam“ und „Tabubruch“; der Afrikaner sagt verschmitzt sibyllinisch: „Für das Recht muss man manchmal Gesetze brechen“. Wie das hier geschieht, bleibt für den Zuschauer unklar, aber die Flüchtlinge sind über die Grenze. Nach emotionalem Stress sieht das Kabuki-Theater einen Schlusstanz vor und der, so wird verkündet, „bedeutet nichts“ und ist im besten Sinn unterhaltsam. Heute gastiert die Gruppe mit einem früheren Stück noch einmal im Theater im Pfalzbau. „Betrügen“ oder „La Jet Set“ handelt von einer westafrikanischen Subkultur in Pariser Vorstädten.

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