Ludwigshafen Unter der Erde bis nach Mutterstadt

Auch in Ludwigshafen träumte man vom schnellen Transport unter der Erde. Im Bild: die Londoner U-Bahn.
Auch in Ludwigshafen träumte man vom schnellen Transport unter der Erde. Im Bild: die Londoner U-Bahn.

Drei Treppenstufen sind es, die an große Pläne für die Ludwigshafener Unterwelt erinnern. In der Straßenbahnstation Rathaus sind nach der Rolltreppe exakt drei Stufen zu überwinden, um auf den Bahnsteig zu gelangen. „Als die Station gebaut wurde, sah man gleich das höhere Bahnsteigniveau für die U-Bahnen vor“, erläutert Martin Freudenberg vom Tiefbauamt der Stadt den Höhenunterschied. Bis es so weit war, wurde die Station jedoch noch von der Straßenbahn genutzt, die einen höheren Einstieg hat, sodass man provisorisch einen tiefergelegten Bahnsteig baute. Ein Provisorium, das bis heute besteht. Provisorien gibt es auch noch an anderen Stellen im Straßenbahnnetz der Stadt, die ebenfalls an nicht umgesetzte U-Bahn-Planungen erinnern. Zum Beispiel die Ausfahrt aus der unterirdischen Haltestelle Rathaus, die in einem 90-Grad-Winkel ans Tageslicht führt: „Eigentlich war vorgesehen, die U-Bahn in einer zweiten Bauphase von 1976 bis 1979 unter der Bismarckstraße bis zum Berliner Platz zu führen“, erläutert Freudenberg. Daher liegt die Haltestelle auch in der Achse der Bismarckstraße. Die rechtwinklige Ausfahrt führt dazu, dass die beiden äußeren Gleise der Station nie genutzt werden konnten. Weitere Tunnelstrecken wären unter der Wredestraße verlaufen sowie von der Mundenheimer Straße schräg unter den Wohnquartieren hindurch bis zur Saarlandstraße. Nicht zu vergessen der U-Bahn-Tunnel unter dem Rhein. „Der wäre etwa dort verlaufen, wo der Luitpoldhafen beginnt“, verdeutlicht Freudenberg und zieht einen Plan des Konzepts hervor, das ein Stadtbahnsystem für Mannheim und Ludwigshafen vorsah. In den Außenbereichen sollten die Bahnen oberirdisch und auf eigenen Trassen geführt werden, wie sie beispielsweise 1983 zwischen dem Hauptfriedhof und der BG-Unfallklinik entstanden. Die Haltestelle Heinrich-Pesch-Haus ist bereits schnellbahngerecht ausgebaut und liegt in einem offenen Einschnitt. Freudenberg vermutet, dass die unterirdische Trassenführung ursprünglich sogar bis Oggersheim vorgesehen war. Die Idee der U-Bahn geht auf die Neugestaltung der Stadt nach dem Zweiten Weltkrieg zurück. 1959 genehmigte der Stadtrat das Projekt „Visitenkarte“. Es sah neben der Verlegung des Hauptbahnhofs und dem Bau von damals als fortschrittlich geltenden Hochstraßen eben auch die Anlage eines U-Bahn-Systems für Mannheim und Ludwigshafen vor, das mit dem S-Bahn-System der Bundesbahn gekoppelt werden sollte. Die fünf Schnellbahn-Linien A bis E sollten in der letzten Ausbauphase bis nach Mutterstadt, Neuhofen und in die Pfingstweide führen. Fertiggestellt sein sollte das ÖPNV-Netz im Jahr 2000. Pro Jahr sollten 20 Millionen Mark in den Aufbau eines kreuzungsfreien, schnellen Nahverkehrs fließen. Am weitesten gediehen ist das Projekt U-Bahn zwischen dem Hauptbahnhof und der Hemshofstraße. Als dieses Areal nach der Verlegung des Hauptbahnhofs neu gestaltet wurde, nutzte man die Chance und baute gleich die ersten Tunnelröhren für die U-Bahn, den sogenannten C-Tunnel. 1969 ging diese Strecke in Betrieb – und wird seit 2008 mit der Stilllegung der Linie 12 nicht mehr befahren. Damit sind auch die Stationen Danziger Platz und die Ebene -2 der Station Rathaus, die übrigens lange Zeit Turmstation genannt wurde, außer Betrieb. Für die Volkshochschule bietet Freudenberg regelmäßig Tunnelführungen an. Der 60-Jährige zeigt dann auch den „Angsttunnel“, ein nie genutztes Tunnelstück ohne Schienen, das die Linie 4 nach Oggersheim hätte aufnehmen sollen. Dieses führt von der Station Hauptbahnhof abwärts auf die Ebene -2, da es das BASF-Verbindungsgleis hätte unterqueren sollen. „Wo der Zaun des Bowling-Centers anfängt, endet der Tunnel“, weiß der Tunnelexperte. Auch die Rampe, die hinter dem Bowling-Center ans Tageslicht kommt und von der Linie 4 befahren wird, ist „ein weiteres Ludwigshafener Dauer-Provisorium“. Und warum heißt das Tunnelfragment nun Angsttunnel? „Ganz einfach“, sagt Freudenberg und lacht. „Im Tunnel steht immer Wasser. Das sehen Sie aber nicht, weil die Treppe in den Tunnel schlecht beleuchtet ist und die Wasseroberfläche spiegelglatt ist. Es ist ja windstill im Tunnel. Und dann stehen Sie unversehens im Wasser“, sagt er. Ihm selber stand das Wasser schon bis zu den Knien, anderen bis zu den Oberschenkeln. Die Serie Erdacht, geplant und nie umgesetzt: Das trifft auf einige Bauprojekte in Ludwigshafen zu. Für unsere Serie „Lu ungebaut“ haben wir in den Archiven nach nicht realisierten Ideen für die Stadt am Rhein gesucht – und so einiges gefunden, wie zum Beispiel das in den 70ern geplante Atomkraftwerk und eine U-Bahn, die nie fuhr.

Martin Freudenberg vor dem „U“ am Rathaus-Center.
Martin Freudenberg vor dem »U« am Rathaus-Center.
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