Ludwigshafen Sieg und Niederlage im Zwei-Minuten-Takt

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Skatspielen ist seit Kurzem Teil der bundesweiten Liste des immateriellen Unesco-Weltkulturerbes. Weil es gesellig ist, Menschen unterschiedlicher Altersstufen und Schichten vereint und außerdem noch die grauen Zellen fordert. Doch wie lange dauert es eigentlich, bis ein Neuling die Regeln beherrscht? Redakteurin Constanze Junk hat sich mit zwei ehemaligen Deutschen Meistern an den Tisch gesetzt und nach knapp zwei Stunden das erste Spiel gewonnen.

Maxdorf. Keine zwei Minuten, und ich habe verloren. Das Spiel. Den Überblick schon früher. Nach dem zweiten Stich ging nichts mehr. Dabei war ich als Alleinspieler in der besseren Position. Aber was erwarte ich? Ich sitze mit zwei ehemaligen Deutschen Meistern am Tisch, und das erst seit anderthalb Stunden. Die braucht man mindestens, um die Skat-Grundregeln annähernd zu verstehen, erklärt mir Luca Fischer. Der 19-Jährige aus Wachenheim ist seit 2012 Mitglied im Skatclub Herz As Maxdorf, war 2015 Deutscher Meister im Jugendbereich und ist amtierender Pfalzmeister. Ein harter Gegner. Ein guter Lehrer. Skat spielen hat es im Dezember 2016 auf die bundesweite Liste des immateriellen Kulturerbes der Unesco geschafft. Unter anderem, weil es verschiedene Bevölkerungsgruppen, soziale Schichten und Altersstufen anspricht, begründet die Unesco. Dass ich gleich mit zwei jungen Männer am Tisch sitze, scheint erst mal ungewöhnlich. „Die meisten stutzen, wenn ich ihnen sage, dass ich gerne Skat spiele“, erzählt Markus Dammbrück. Der 25-jährige Maxdorfer ist seit 2007 im Verein, hat 2011 den Deutscher-Meister-Titel im Juniorenbereich geholt. In den Köpfen vieler Menschen hafte noch das Image des Alt-Herren-Spiels in verrauchten Kneipen. Doch das ist längst Geschichte. „Wir haben schon rauchfrei gespielt, da war das in den Kneipen noch kein Thema“, erzählt sein Vater Ralph-Christian Dammbrück, Jugendreferent im Landesverband Rheinland-Pfalz/Saarland des Deutschen Skatverbands (DSKV) und natürlich Mitglied im Maxdorfer Verein. Umso besser. Und statt Bier – noch so ein Klischee – kommen Kaffee und Wasser auf den Tisch. Wer Skat spielt, muss einen klaren Kopf bewahren. Da sitzen wir nun zu viert. Drei spielen – zwei gegen einen –, einer gibt die Karten aus. Immer im Wechsel. Das Kartenspiel: ein ordinäres 32er-Blatt. Mit Werbung eines Skatreise-Unternehmens drauf. Zehn Karten erhält jeder Spieler. Zwei liegen verdeckt im sogenannten Skat, den später der Alleinspieler bekommt. Ein Tipp der Profis: Auf der Hand muss Ordnung herrschen. Also sortiere ich nach Symbolen und Wert. Die Buben stecke ich extra. Sie zählen beim Farbspiel zu den Trumpfkarten. Grand und Nullspiel bleiben außen vor. „Skat ist ein reines Strategiespiel und gilt nicht als Glücksspiel“, erklärt Ralph-Christian Dammbrück. Warum? Weil im Gegensatz zum Poker alle Karten bis zum Spielende aufgedeckt werden. „Man weiß ganz genau, wer welche Karten hatte.“ Man muss es sich nur merken können. Und langweilig werde es auch nicht: „Es gibt 2,8 Billiarden Verteilungsmöglichkeiten der Karten“, erzählt der 58-Jährige. „Die große Spieltiefe“, sagt sein Sohn Markus, „macht den Reiz aus.“ Und das seit mehr als 200 Jahren. 1813 wurde das Spiel in Altenburg (Thüringen) erfunden. Grundlage waren bereits bestehende europäische Kartenspiele wie Wendischer Schafkopf, L`Hombre, Deutsch Solo und Tarock. Dann schau’n wir mal. Während der ersten drei Runden liegen die Handkarten offen auf dem Tisch. Damit ich Spielzüge nachvollziehen und lernen kann. Die groben Regeln habe ich mir zu Hause durchgelesen. Neben mir liegt der Leitfaden – zum Spicken. Die Reihenfolge und Werte der Farben und Karten habe ich noch nicht komplett im Kopf. Macht nichts, wir lassen es langsam angehen. Bei richtigen Skatabenden läuft das anders: 48 Spiele in zwei Stunden. So gibt es der Skatverband vor. Die meisten Runden dauern nicht länger als zwei Minuten. Und in die Handkarten gucken lässt sich da keiner. Luca Fischer und Markus Dammbrück gehen so oft sie können freitagsabends in Maxdorf zum Verein. Luca Fischer steckt mitten in den Abiturprüfungen, Markus Dammbrück studiert in Koblenz. In der Freizeit mit Freunden spielen? Fehlanzeige. „Es ist extrem schwer, junge Leute zu finden, die es können“, erzählt der 25-Jährige. So müsse man beim Kartenspielen eben Kompromisse finden, auf Schaf-, Doppelkopf oder Gesellschaftsspiele ausweichen. Dabei gebe es Spiele wie „Wizzard“, die dem Skat sehr ähneln. Das liegt auch in meinem Schrank. Oh. Ich nähere mich derweil der richtigen Strategie und dem Reizwert-Rechnen an: Den Kartenwert – bei Pik liegt er zum Beispiel bei elf – mal zwei, mal drei, und so weiter. Je nach Bube auf der Hand. Bis ich das und den Grund der ganzen Aktion verstanden habe, brauche ich ein paar Runden. „Das ist eine Art Auktion im Vorfeld, wer das Alleinspiel und den Skat bekommt“, sagt Markus Dammbrück. So langsam fällt der Groschen. „18?“, fragt Luca Fischer. Ich nicke. „20?“ Wieder nicke ich. „22?“ „Ich bin raus.“ Da kann ich nicht mit. Ralph-Christian Dammbrück, der mittlerweile hinter mir steht und unterstützend in meine Karten schaut, nickt zufrieden. „Vernünftig.“ Luca Fischer ist Alleinspieler. Markus Dammbrück und ich müssen gemeinsam Stiche sammeln und ihn in Punkten besiegen. Herz ist Trumpf. Luca Fischers Karten scheinen nicht so gut wie anfänglich gedacht. „Ihr habt 66“, sagt er. Gewonnen. Ha! Aber Halt. Woher weiß er bitte unsere Punktzahl? Die Stiche liegen verdeckt auf dem Tisch. „Ein guter Spieler“, erklärt Markus Dammbrück, „zählt seine Punkte, Trümpfe, die Punkte der Gegner und welche Karten noch nicht draußen sind.“ In Mathe müsse man dafür aber trotzdem nicht gut sein, sagt Luca Fischer und lacht. Alles in allem einfach eine Frage der Übung. Dass das Spiel zu komplex ist, daran kann es also nicht liegen, dass die Mitgliederzahlen laut DSKV rückläufig sind. Rund 22.000 Spieler sind dort in circa 1600 Vereinen organisiert. Der Landesverband Rheinland-Pfalz/Saarland verzeichnet 1212 Mitglieder (Stand Mai 2016). 14 weniger als im Oktober des Vorjahrs. Dabei ist das Skatspiel selbst laut Ralph-Christian Dammbrück nicht auf dem absteigenden Ast. Das bestätigt auch der DSKV. Laut Pressereferentin Ute Modrow wird geschätzt, dass deutschlandweit 15 bis 20 Millionen Menschen Skat spielen. Und das nicht nur gemeinsam am Tisch: Allein beim Online-Forum Gameduell spielten circa 500.000 Personen, erzählt Ralph-Christian Dammbrück. Aber eben nur im Netz. Allein am Schreibtisch. Nicht im Verein. Nicht in geselliger Runde. Womit wir wohl wieder beim Image wären. Trotzdem bleibt die Frage, warum sich so wenige zur Leidenschaft bekennen. Fußball spielt das Gros doch auch im Verein. Auch die Maxdorfer verzeichnen einen leichten Mitgliederschwund. Aber mit seinen 40 Mitgliedern gehört der Club noch zu den größten in der Pfalz. Dem Negativtrend wirkt Herz As mit aktiver Werbung entgegen. Unter anderem mit AGs an Schulen. Aktionen, die den DSKV positiv in die Zukunft blicken lassen. So kam auch Luca Fischer zum Verein. Und zum Erfolg. Ich scheitere derweil am Reizen. Trotz Spickzettel neben mir. Ich verrutsche in der Reihe, rechne mit Kreuz statt Pik und komme auf einen zu hohen Reizwert. Mitgehen will da keiner. Ich muss alleine spielen. Da habe ich mir was eingebrockt. Pik ist Trumpf. Ralph-Christian Dammbrück, der noch immer in meine Karten schaut, grinst. Wird schon klappen. Es gibt ja noch den Skat, den ich als Alleinspieler bekomme. „Die Wahrscheinlichkeit, dass im Skat eine gute Karte dabei ist, liegt bei mehr als 60 Prozent“, erzählt er. „Dass zwei gute Karten drin sind, bei mehr als 40 Prozent.“ Der Maxdorfer weiß, wovon er spricht. Seit seiner Kindheit spielt er Skat, hat es noch von seinen Eltern gelernt. In den Verein kam er nach einer längeren Spielpause vor 16 Jahren. „Wer es einmal gelernt hat, kommt irgendwann wieder.“ Und trifft im Verein auf die unterschiedlichsten Menschen. Das sei eben auch das Schöne. Dass bestimmte soziale Schichten, passende Schulabschlüsse oder gut bezahlte Jobs dort nicht der Schlüssel zum Erfolg sind, sondern logisches Denken, Strategie und ein Quäntchen Glück. Das scheint mir hold zu sein. Zwei mal Pik im Skat. Wie war das noch mal mit dem blinden Huhn und dem Korn? Mit drei Buben auf der Hand kann mir fast nichts mehr passieren, wenn ich strategisch spiele. Die goldene Regel: Am Anfang Trümpfe ziehen. Ein unsicherer Blick über die Schulter. „Die?“, frage ich Ralph-Christian Dammbrück und zeige auf die Pik Sieben. Er nickt. „Mach mal.“ In diesem, dem besten Fall, müssen die Gegner mit hohen Karten bekennen. Ein Bauer und das Pik Ass sind kurz darauf raus. Mit meinen drei Bauern und der Pik Zehn habe ich nun die vier höchsten Trümpfe auf der Hand. Da kann eigentlich nichts mehr schiefgehen. Das merken auch Markus Dammbrück und Luca Fischer. Ich kürze gekonnt ab und decke auf. Nicht mal zwei Minuten hat es gedauert, und die beiden haben verloren. Dieses eine Spiel. Nun geht es wieder bei null los. Für die nächsten zwei Minuten. Termin Der Clubabend des Skatclubs Herz As Maxdorf findet von Januar bis November freitags um 19 Uhr im Clubhaus des ASV Maxdorf, Longvic Platz 2, statt. Gespielt wird eine 48er-Serie, Gastspieler sind willkommen. Im Netz: www.herzasmaxdorf.de. Wer Skatspielen lernen möchte, kann dies unter www.skatinsel.de versuchen.

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