Ludwigshafen Ludwigshafen – Stadt der Angst?

Korku Sehri („Stadt der Angst“) titelt die türkische Zeitung Sabah nach dem Mordfall Torun.

Die Ermordung des Ludwigshafener Unternehmers Ismail Torun sorgt auch in türkischen Medien für Schlagzeilen. Es wird wild über die Hintergründe spekuliert. Die Staatsanwaltschaft Frankenthal mahnt unterdessen zur Besonnenheit. Es gebe keine Hinweise auf organisierte Kriminalität, die es auf Mittelständler mit Migrationshintergrund abgesehen habe.

Die Polizei hat am Wochenende zwei Männer und eine Frau festgenommen, die den türkischen Unternehmer Torun aus Ludwigshafen sowie einen kroatischen Automatenaufsteller aus Brühl umgebracht haben sollen. „Allen drei Beschuldigten wird gemeinschaftlich begangener Doppelmord vorgeworfen“, sagt Leitender Oberstaatsanwalt Hubert Ströber. In seinem Büro im Frankenthaler Justizzentrum steht seit Tagen das Telefon nicht mehr still. Der Doppelmord an den beiden Geschäftsleuten – 49 und 64 Jahre alt – sorgt über die Pfalz hinaus für Schlagzeilen. Überregionale Zeitungen aus der Türkei haben den Fall ebenso aufgegriffen wie regionale Medien in der Region Samsun an der Schwarzmeerküste, wo der Leichnam Toruns am Montag beigesetzt wurde. Sie berichten ausführlich über den gewaltsamen Tod Toruns, der aus dieser Gegend stammt. In den Blättern wird teils wild spekuliert und es werden Ängste geschürt. Einige Darstellungen sind schlichtweg falsch. Knapp 10.000 Türken leben in Ludwigshafen. Sie informieren sich oft über türkische Medien. In einem Zeitschriftenladen im Rathaus-Center sind beispielsweise sechs türkische Tageszeitungen erhältlich. Sie bekommen den Mantelteil aus der Türkei und werden für die in Deutschland verkaufte Auflage um eine Europa-Beilage oder Meldungen und Berichte aus Europa ergänzt. Die bekannten Zeitungen Hürriyet, Türkiye und Sabah schreiben über den Mordfall Torun. Sabah berichtete gestern auf der Titelseite über die Festnahmen. War die Überschrift der Meldung auf der ersten Seite noch sachlich, wurde der Tonfall auf Seite 13 in der Europa-Beilage schon dramatischer. In Großbuchstaben ist dort „Korku Sehri“ zu lesen, zu Deutsch: „Stadt der Angst.“ Im Artikel heißt es dann: „Der Mord an einem türkischen Unternehmer in Ludwigshafen – einer der reichsten Städte Deutschlands – sorgt für Angst unter Geschäftsleuten.“ Die Zeitung berichtet, dass Ismail Torun „entführt und nach Zahlung von einer Million Euro Lösegeld ermordet wurde.“ Die Zeitung berichtet in dem Artikel auch von einem Geschäftsmann, der angeblich fünf Wochen vor dem Mordfall Torun von einer türkischen Frau am Telefon bedroht worden sei. Das Blatt zitiert ferner „türkische Geschäftsmänner“ – ohne Namen zu nennen – mit den Worten: „Mitten in Europa fürchten wir um unser Leben.“ Sie fühlten sich bedroht, die Verantwortlichen in Deutschland müssten etwas unternehmen. Als Beleg für die vermeintliche Bedrohung wird noch der Mord an dem kroatischen Automatenaufsteller angeführt, dessen Leiche Ende November in Ludwigshafen gefunden wurde. Bei der mit den Ermittlungen in beiden Fällen zuständigen Staatsanwaltschaft Frankenthal sieht man keine akute Bedrohungslage für türkische Geschäftsleute in der Region. „Wir haben keine Erkenntnisse, dass es eine Art mafiösen Ring gibt, der systematisch so etwas machen würde“, sagt Leitender Oberstaatsanwalt Ströber. Er und seine Ermittler gehen derzeit davon aus, dass es neben dem Doppelmord keine weiteren Fälle gibt, in dem Geschäftsleute mit Migrationshintergrund das Ziel von Kriminellen sind. Dringend tatverdächtig in beiden Mordfällen ist ein Trio, das türkische Wurzeln hat: ein 49-Jähriger aus Ludwigshafen, ein 37-Jähriger aus der Vorderpfalz und eine 42-Jährige aus Stuttgart. Sie sollen gemeinschaftlich die beiden Geschäftsleute umgebracht haben. „Aus finanziellen Gründen“, wie Ströber sagt. Die Nationalität der Opfer habe wohl keine Rolle gespielt. Bekannt ist, dass der 49-jährige Ludwigshafener in einem Betrugsprozess angeklagt ist. Gemeinsam mit einer anderen Frau soll er Verlage um 300.000 Euro geprellt haben. Der Mann, der eine Wellness-Anlage in Frankenthal betrieb, stand unter Druck, war verschuldet und brauchte dringend Geld. „Das kann schon ein Motiv gewesen sein“, sagt Ströber. Die Ermittlungen liefen noch, er wolle sich zu keinen Details äußern. „Es gibt kein vollumfängliches Geständnis“, sagt der Chefermittler. Die beiden anderen Tatverdächtigen seien den Behörden bisher nicht aufgefallen. Auf die Spur des Trios kam die Polizei nach dem Mord an dem Kroaten. „Der schnelle Ermittlungserfolg im Fall Torun beruht auf den intensiven Ermittlungen in dem ersten Mordfall“, sagt Ströber. Ob DNA-Spuren dabei eine Rolle spielten, wollte Ströber nicht kommentieren. „Wir haben belastbare Beweismittel, die für Haftbefehle ausgereicht haben“, sagt er. Die Staatsanwaltschaft will in einigen Tagen weitere Informationen veröffentlichen. Bis dahin kann in Medien und sozialen Netzwerken weiter spekuliert werden. Fakten spielen dabei oft eine untergeordnete Rolle. So ist im Fall Torun, wie in der türkischen Tageszeitung Sabah geschrieben, immer wieder von einer Lösegeldforderung von einer Million Euro die Rede. Dabei sagt der älteste Sohn des Opfers, Eyüp Torun (28): „Es gab keine eigentliche Lösegeldforderung. Wir wurden nicht angerufen, uns wurden keine Bedingungen gestellt.“ Stattdessen geht der Sohn davon aus, dass der Vater Geld für ein angebliches Grundstücksgeschäft auf Druck der Täter gesammelt hat. „Wir vermuten, dass die Täter meinem Vater damit gedroht haben, dass sie seiner Familie etwas antun, wenn er das Geld nicht zusammenbekommt.“ Es sei dabei auch nicht um eine Million Euro gegangen, sondern um mehrere Hunderttausend Euro. Eyüp Torun weist ferner Darstellungen zurück, wonach es Folterspuren am Körper und im Gesicht seines Vaters gegeben habe. Der Leichnam habe nur leichte Schrammen aufgewiesen, das Gesicht sei unversehrt gewesen. Hürriyet, ehemals auflagenstärkste türkische Zeitung in Deutschland, berichtet über angebliche Drohungen gegen Torun zwei Wochen vor der Tat. Sein Sohn sagt: „Es gab keine Drohungen. Das kam völlig unerwartet für uns.“ Auch Details in dem Bericht, wie die Anzahl von Toruns Kindern, stimmen nicht. Nicht nur Hürriyet sind Fehler unterlaufen. Die Zeitung Türkiye behauptet, dass das andere Mordopfer ein Italiener gewesen sei – obwohl es sich laut Staatsanwaltschaft um einen Kroaten handelt.

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