Ludwigshafen Lebendige Sprache

Mit Händen und Füßen reicherte Selma Scheele ihre Geschichte an.
Mit Händen und Füßen reicherte Selma Scheele ihre Geschichte an.

«OGGERSHEIM.» „Die Maus sucht ein Haus“ – Mit dieser Geschichte hat Thomas Hoffmeister-Höfener, der künstlerische Leiter der Erzählwerkstatt im Heinrich-Pesch-Haus, am Sonntag das siebte Internationale Erzählfest eröffnet. „Geschichten suchen ein Zuhause“ lautet das Motto der Veranstaltungsreihe, die von der „Offensive Bildung“ in der Metropolregion Rhein-Neckar organisiert wird. Noch bis Sonntag bieten Erzähler aus verschiedenen Kulturkreisen Kindern und Erwachsenen lustige und ernste Geschichten. Rund 150 Zuhörer waren zum Auftakt gekommen.

„Wegsucher und Stubenhocker, Geschichten vom Weggehen und Dableiben“ war das Thema des Abends. Geschichten ohne Grenzen erzählten Odile Néri-Kaiser aus Frankreich und Selma Scheele aus der Türkei. Märchenhafte Musik dazu spielte das Trio Hisham und Asem aus Syrien. Die Maus geht auf der Suche nach dem Haus einen weiten Weg. Bei der Schildkröte in der Lieblingstasse von Hoffmeister-Höfener findet sie, was sie sucht. „Was uns gegeben ist, ist vielleicht wichtiger als Brot“, meint eine Bäckerin in Néri-Kaisers Erzählung zu den Geschichten eines Fremden mit unaussprechlichem Namen, die die Sehnsucht der Dorfbewohner wecken. „Man konnte das Gras singen hören“, berichtet der Fremde von seiner Heimat, die sehr grün ist. Interessantes zu sehen und zu hören gab es auch bei Scheele. Sie nahm die Zuhörer mit in die Türkei. „Es lebte einmal ein Derwisch, der nirgends und überall zu Hause war“, erzählt sie abwechselnd auf Türkisch und auf Deutsch. In der Geschichte entsteht aus dem Streit um ein Goldstück heraus eine Band von Straßenmusikern, die Leben in die etwas langweilig gewordene Ehe des Richters, der den Konflikt schlichten soll, bringt. Mit viel Körpersprache und lebhafter Mimik erreicht Scheele, dass auch die Zuhörer, die nicht des Türkischen mächtig sind, den Passagen in der fremden Sprache folgen können. „Das ist wahre Zweisprachigkeit“, meint Garmin Wicke aus Frankenthal. Das Publikum ist hingerissen. „Ich bin zu einer Fledermaus geworden“ – Was es für einen illegalen Einwanderer bedeutet, seinen Lebensunterhalt zu erarbeiten, lässt Néri-Kaiser die Zuhörer nach der Pause erahnen. Nachts muss er arbeiten und ist dabei in Gedanken bei seinen Leuten. „Ich werde mich in ihre Träume mischen. Sie werden mich nicht vergessen“, glaubt er. Ein fester Glaube und eine große Liebe spielten bei Scheeles zweiter Geschichte große Rollen. Ein Geschwisterpaar, das die böse Stiefmutter mit einem kaputten Sack zum Pflanzensammeln in die Wüste geschickt, überlebt nur knapp. Im Dschungel beginnt die Geschichte von der Katze. Sie liebt immer das Tier, das sie am besten beschützen kann. Löwe, Leopard und Elefant sind ihre Gefährten. Wie es kommt, dass sie als Stubentiger endet, erklärt die letzte Geschichte von Hoffmeister-Höfener, bevor er die Zuhörer nach Hause schickt. Bis Sonntag bieten acht Erzähler aus sechs Kulturkreisen Kindern und Erwachsenen lustige und ernste Geschichten. Mit dem „Erzählzelt“ und dem „Trommler“ wollen die Künstler dorthin gehen, wo die Menschen sind. Menschen, die in Deutschland Zuflucht gesucht haben oder hier Gast sind, sind der Schwerpunkt des diesjährigen Festivals, das in Ludwigshafen, Deidesheim, Bobenheim-Roxheim, Worms, Schwetzingen, Lampertheim, Heidelberg, Bürstadt, Heppenheim, Frankenthal, Dirmstein, Eppelheim, Landau und Bensheim unter anderem in Flüchtlingscafés, Kitas und Bibliotheken stattfindet. Noch Fragen? Informationen unter www.die-welt-erzaehlt.de oder unter Telefon 5999-152 (Erzählfestbüro).

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