Ludwigshafen Keine Berührungsängste mit der Liebe

Trifft sich regelmäßig in Heidelberg: der Dichterkreis „Kamina“.
Trifft sich regelmäßig in Heidelberg: der Dichterkreis »Kamina«.

„Kamina, der studentische Dichterkreis Heidelberg“, hatte zu einem Lyrik-Abend in den Hack-Garten geladen. Die vorgetragenen Texte verband ein Bezug auf den russischen Dichter Ossip Mandelstam als Inspirationsquelle; da man sich in einem Garten befand, unter dem Motto „Mandelstams Gärten“.

„Kamina“ wurde im Frühjahr 2010 von Katharina Dück und Elena Kisel als Forum für Studenten, die Texte schreiben, gegründet. Von anfangs fünf ist die Mitgliederzahl rasch angewachsen und beschränkt sich nicht mehr auf Studierende, wenngleich diese weiterhin die Mehrheit bilden. Man trifft sich einmal im Monat im Lesecafé im Marstall in der Heidelberger Altstadt, trägt vor, diskutiert und organisiert öffentliche Auftritte. Nur ein Text, das Dialog-Gedicht „Gärtner und Blume“, wurde im Hack-Garten als direkt auf Mandelstam zurückgehend vorgestellt. Es ist ein weltanschauliches Gedicht, in dem zwei Seinsformen dynamisch interagieren, wobei sich ihr Verhältnis zueinander umkehrt: der pflegende Gärtner und die gepflegte Blume. Bei den anderen Texten war ein Zusammenhang mit dem Werk Mandelstams kaum erkennbar. Sie boten Naturlyrik, Gedankenlyrik, facettenreich Emotionales; Politisches war ausgespart. Ossip Mandelstam wurde zweimal verhaftet und starb 1938 im Gulag. Heidelberg, wo Mandelstam kurzzeitig Gasthörer an der Uni gewesen war, feierte im Vorjahr den 125. Geburtstag des russischen Dichters. Da liegt es nahe, dass sich angehende Literaten, die sich explizit „Dichterkreis Heidelberg“ nennen, sich mit ihm beschäftigen und ihre Arbeit zu ihm in Beziehung setzen. Vier Autoren trugen ihre Gedichte vor. Von der Mehrzahl aktueller Poeten und deren Vorliebe für manieristische Sprachakrobatik unterscheiden sie sich durch gute Verständlichkeit und keine Berührungsängste mit traditionellen Inhalten wie Naturlyrik, Liebe und Philosophisch-Existenzielles sowie ebensolchen Formen wie Reimstrophen, darunter klassische Vierzeiler. Nicht nur am Versende, sondern auch als Binnenreime und Alliterationen wurden Reime geradezu schwelgerisch zelebriert. Als vielseitig zeigte sich Manuel Beck: zurückgenommen in klassischen Vierzeilern, kraftvoll in „Sprachmagie“, darstellerisch fit im Dialog „Gärtner und Blume“. Der gebürtige Ludwigshafener ist Abteilungsleiter in einem Jobcenter. Er hat schon zwei Lyrik-Bände vorgelegt. Belmonte bezauberte mit melancholischem Gesang zu indischem Harmonium. Er brachte ein amerikanisches Volkslied, Walther von der Vogelweides „Tandaradei“ auf Mittelhochdeutsch und ein eigenes Liebeslied in altprovencalischem Stil. Michaela Vogl trug Naturlyrik vor: Ephemere „Inseln von Licht, Inseln von Ich, schwimmen auf dem Gras“ oder ein „Fels trotzt der Brandung“. Mit Wärme gestaltet Simon Probst Gefühle, die schlicht im Jetzt und stark in der Erinnerung sind: Über die Mutter in ihrem Garten und über die Liebe. Thomas M. Haase war Überraschungsgast.

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