Ludwigshafen In der Schaltzentrale der Macht

Andrea Breth beim Gespräch im Cineplex in Mannheim.
Andrea Breth beim Gespräch im Cineplex in Mannheim.

Andrea Breths Burgtheater-Inszenierung von „Don Carlos“ stammt zwar aus dem Jahr 2004, hat aber nichts an Aktualität und Wucht eingebüßt. Davon konnten sich die Zuschauer überzeugen, die sich im Cineplex-Kino die Aufzeichnung der Inszenierung angeschaut haben. Im Anschluss bat Schauspiel-Intendant Burkard C. Kosminski die Regisseurin zum Gespräch.

Wenn Andrea Breth inszeniert, dann ist ihr eines heilig: die Werktreue – vor allem dann, „wenn es so ein großartiger Text ist“, betonte sie im Gespräch und bekannte dann, dass sie Schiller lieber möge als Goethe. „In Mannheim darf man das sagen“, befand Burkhard C. Kosminski. Von Schiller könne man das Weinen und das politische Denken lernen, hatte die Regisseurin gesagt, als sie 2006 den Theaterpreis Berlin erhielt. Das gelte für sie heute mehr denn je. „Ich bin beseelt von der Literatur und der Bühne.“ Ihre Aufgabe sei es, den Text zu durchleuchten, zu erzählen, was ihm innewohne, und in die heutige Zeit zu transportieren. „Ich bin eine Sekundärkünstlerin“, umriss die gebürtige Darmstädterin ihre Arbeit. Das mag stimmen. Andrea Breth hat „Don Carlos“ nicht geschrieben, diese grandiose Inszenierung ist jedoch ganz und gar ihre Vision. Andrea Breths spanischer Hof zu Madrid ist eine knallharte Schaltzentrale der Macht. Ihre Kulisse erinnert an ein heruntergekommenes Großraumbüro mit verdrecktem Teppich und Trennwänden mit großen Glasscheiben. Es gibt keine Privatsphäre. Die Trennwände sind labyrinthartig angeordnet – allerdings keineswegs willkürlich: „Das ist der Grundriss des Escorial, der Residenz von Philipp II.“, erklärte sie. Leider ist die Raumordnung in der Fernsehaufzeichnung nicht so gut zu erkennen. Anders als im Theater hat man nur selten einen Blick auf die gesamte Bühne. Dafür switcht das Bild immer wieder in die Vogelperspektive; die Aufnahme wird schwarz-weiß und stumm – als würde man diese Szenen durch eine Überwachungskamera sehen. Ein beklemmender Effekt, den wiederum das Theaterpublikum so nicht gehabt haben dürfte. „Ich habe diese Welt nicht erfunden“, sagt die Regisseurin, die gerade in den Proben zu Pinters „Eine Geburtstagsfeier“ für die Salzburger Festspiele steckt. „Das war Philipp II.“ In der Tat war der spanische König einer der ersten Monarchen, die auf Geheimdienste und Spione setzten. „Er war ein Bürokrat und führte über jeden und alles Akten.“ Prunk sucht man in ihrem„Don Carlos“ vergebens: Der König sitzt nicht auf einem Thron, sondern auf einem pinkfarbenen Bürostuhl, sein Schreibtisch wirkt recht klapprig. Vor allem die Figur Philipps habe sie fasziniert, gibt Breth zu: „Er ist ein Machtmensch, aber auch einsam und tieftraurig durch sein eigenes System.“ Die Gier nach Macht zerstört den spanischen Hof. Wie marode er bereits ist, zeigt die Kulisse eindrücklich.

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