Ludwigshafen Hellere Tage werden kommen

„Heiteres aus ernster Zeit“ war die musikalisch-literarische Revue überschrieben, die der Mannheimer Autor und Verleger Ulrich Wellhöfer und seine Frau, die Musikerin Nicole Fieber, im Gedenken an die Terroranschläge vom 11. September 2001 im Casino im Capitol veranstalteten.

Das „9/11 Memorial“, zu dem sich um 16 Uhr bei sommerlicher Hitze enttäuschend wenige Besucher eingefunden hatten, begann mit Rhythm and Blues. Nicole Fieber blies auf dem Altsaxophon den alten Donny-Hathaway-Standard „Someday we’ll all be free“, den Alicia Keys nur wenige Tage nach den Anschlägen in einem Benefizkonzert neu eingespielt hatte. Der Song, in dem es heißt „Never mind your fears / Brighter days will soon be here“ (Mach dir nichts aus deinen Ängsten / Bald werden hellere Tage kommen), war auch schon der einzige annähernd zeitgenössische Beitrag der Veranstaltung, in der Wellhöfer und Fieber sonst auf wesentlich ältere Musik und Texte, besonders aus den 1920er Jahren zurückgriffen. Direkt mit den Attacken auf das World Trade Center oder den anderen Ereignissen vom 11. September 2001 hatte das nichts mehr zu tun, dafür mit Krieg, Not, Angst und Hoffnung ganz allgemein. Angesichts der aktuellen Flüchtlingskrise infolge von Terrorismus, Kriegen und Not erinnerte Ulrich Wellhöfer an die zahlreichen hiesigen Auswanderer nach der gescheiterten Badischen Revolution von 1848/49 sowie besonders an den Mannheimer Autor und Kabarettisten Paul Nikolaus, der als Jude 1933 vor den Nazis nach Zürich floh und sich noch im selben Jahr in Luzern das Leben nahm. „Einmal kein Scherz: ich nehme mir das Leben. Ich könnte nicht nach Deutschland zurück, ohne es mir dort zu nehmen“, zitierte er aus einem Brief von Nikolaus. „Ich kann dort nicht arbeiten jetzt, will dort nicht arbeiten und habe mich leider in mein Vaterland verliebt. Ich kann in dieser Zeit nicht leben (...) leben Sie wohl.“ Nikolaus sei schockiert gewesen von der Monstrosität und Unfassbarkeit des Ersten Weltkriegs, führte Wellhöfer aus, dazu desillusioniert und enttäuscht von der darauf folgenden politischen Entwicklung. Die Zerrissenheit jener Jahre sei vergleichbar mit der heutigen Zeit, meinte der Verleger, der in dem Band „Jüdische Miniaturen“ Schnurren und Witze von Nikolaus veröffentlicht hat. Ebenfalls im Verlagsprogramm zu finden sind zwei Bände mit Texten des Pfälzers und 1931 in Ludwigshafen verstorbenen Hanns Glückstein. Der 1888 in Völklingen geborene Dichter, nach dem die Stadt Mannheim das neue Glückstein-Quartier südlich des Hauptbahnhofs benennt, schrieb neben seinen bekannteren mundartlichen Texten besonders infolge der Erfahrungen des Weltkriegs expressionistische Lyrik, politische Zeitgedichte sowie flehentliche Friedensanrufungen. „Trommler, du trommelst ein furchtbares Lied, / Trommelst zu Tod und Verderben, / Werden die Arme denn nimmer dir müd, / Schlägst so viel Glück doch in Scherben! / Wirbelst du ewig uns Qualen und Pein? / Trommler, halt ein!“ heißt es in einem Gedicht. Aus dem von Glückstein getexteten und von Hans Bernhardt komponierten Singspiel „Lindenwirtin, du junge“, das in Mannheim seinerzeit große Erfolge feierte, spielten Fieber und Wellhöfer das Lied „Frei wie eine Schwalbe“. Mit Gassenhauern aus den 1920er und 1930er Jahren, die Sehnsüchte beschreiben, unter ihnen „Ich tanze mit dir in den Himmel hinein“ und „Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen“, führte das Paar wieder zurück zu hoffnungsvolleren Gedanken, wie sie schon in Hathaways „Someday we’ll all be free“ angeklungen waren.

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