Ludwigshafen Hashtag im Hallenbad

„Mut!“: Sascha Lobo referiert im ehemaligen Hallenbad hinter dem Löschwasserbecken der Abfallwirtschaftsgesellschaft GML.
»Mut!«: Sascha Lobo referiert im ehemaligen Hallenbad hinter dem Löschwasserbecken der Abfallwirtschaftsgesellschaft GML.

Der Hashtag des Abends heißt #lobolu. Wer Fragen an den Internet-Guru hat, kann sich zu Sascha Lobo durchtwittern. Machen eher wenige. Macht wiederum nichts. Statt smartphone-fummelnd im ehemaligen Hallenbad zu sitzen, sind die rund 190 Zuhörer trotz drückender Hitze bei der Sache. Der 42-jährige Blogger, Journalist, Autor, Digitalisierungs-Missionar und Irokesenschnitt-Träger spricht eine knappe Stunde über „diese komische Zeit, in der wir leben“. Gemeint ist die Digitalisierung, ist das Internet – vor allem aber, wie beides die Kreativwirtschaft beeinflusst. Das ist der Wirtschaftszweig, zu dem schöpferische Branchen wie der Werbemarkt, Design und Architektur gehören. Es gebe eine „fast euphorische Begeisterung“, Daten ins Netz zu stellen, diagnostiziert Lobo. So würden eben noch für irrelevant gehaltene Daten plötzlich zu einem ganzen Datenstrom. „Datenströme, die ganze Branchen verändern können.“ Für die richtige Motivation, ergänzt Lobo, würden Menschen alles teilen, auch die privatesten Dinge. Und die Motivation ist oft schlichtweg Bequemlichkeit. Außerdem muss heute alles schnell gehen. „Digitale Ungeduld“ ist ein zentraler Begriff des „Spiegel“-Kolumnisten. Wenn die Mail nach einer Stunde nicht beantwortet ist, würden die Menschen nervös. Leises Lachen im Raum. Kurz danach wohl das innere Selbst-Ertappen: Stimmt, geht uns allen auch so. Lobo ist an diesem Abend zu Gast im ehemaligen Hallenbad Nord, das von den Technischen Werken (TWL) als Innovationszentrum „Freischwimmer“ genutzt wird. Er balanciert sein Tablet locker mal in der rechten, mal in der linken Hand, gefährlich schwebend über dem vor ihm liegenden Löschwasserbecken. Der flüssige Inhalt bleibt wellenlos, die Uhr an der Wand verharrt ohne Regung auf fünf vor zwölf, vom Drei-Meter-Brett ist seit Jahren niemand gesprungen. Eine maximal analoge Umgebung ist das. Lobos Zuhörer sind Unternehmer. Das ist öfter so. Er spricht bei internationalen Autoherstellern und Technologiekonzernen. 2015 beim Verband der Wellpappen-Industrie. Klar, mit irgendwas müssen die ganzen online bestellten Dinge ja verpackt werden. Über Digitalisierung und Arbeitswelt hat Lobo schon mehrere Bücher geschrieben, ursprünglich mal in Berlin Wirtschafts- und Gesellschaftskommunikation studiert. Er ist derjenige, der regelmäßig mit provokanten Reden auf der Digitalkonferenz Republica für Aufsehen sorgt. Lobo hangelt sich an weiteren Schlagworten entlang: „Plattformkapitalismus“, „Sensorenflut“. Am schönsten und sicher treffendsten ist das Sich-„Voranscheitern“. Hieß früher einfach: Fehler machen und daraus lernen. Es ist der direkteste Tipp, den Sascha Lobo den Unternehmern mit auf den Weg gibt. Statt deutschem Perfektionismus mehr Betaversion wagen. Also auch mal etwas Neues riskieren, statt alles perfekt auszuarbeiten, bevor es auf den Markt kommt. Die Kreativwirtschaft sei hier ein „vorauseilendes Labor“. Für viele andere Branchen, gerade kleinere Betriebe, werde die derzeit gute Wirtschaftslage zum Problem: Sie sehen keine Notwenigkeit, sich digital weiterzubewegen. Es läuft ja alles gut. Lobos Thesen sind schlagkräftig und laden zum Nachdenken ein. Der Mann kennt sich aus. Das weiß er auch. Sascha Lobo redet frei, langsam und betonend, wissend, dass die Zuhörer an seinen Lippen hängen. Was die Unternehmen allerdings ganz konkret tun könnten, um den digitalen Wandel mitzugestalten, das sagt er nicht. Sein Aufruf verbleibt bei den Worten „Mut!“ und „Tut!“, jeweils mit Ausrufezeichen. Ein einfacher Punkt wäre auch nicht Lobos Sache.

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