Ludwigshafen Handicap kein Hindernis

Die Befürchtung von Tanzlehrerin Sabine Mayer-Kronenberger, eine Ausbildung zu benötigen, um Amputierten das Tanzen zu lehren, e
Die Befürchtung von Tanzlehrerin Sabine Mayer-Kronenberger, eine Ausbildung zu benötigen, um Amputierten das Tanzen zu lehren, erwies sich als unbegründet. Auf jedes Paar muss man aber individuell eingehen.

«MANNHEIM.» „Tanzlehrer zu sein, bedeutet mehr, als den Leuten das Tanzen beizubringen“, sagt Sabine Mayer-Kronenberger. Die 50-jährige Ludwigshafenerin genießt es, immer wieder neue Wege zu gehen. Das war so, als sie vor 28 Jahren ihre Tanzschule in Walldorf eröffnete, und das ist noch immer so. Als bundesweit einzige Tanzschule bietet sie seit einem Jahr einen Tanzkurs für Beinamputierte an.

„Ich bin stolz, Pfälzerin zu sein“, sagt Mayer-Kronenberger auch nach 28 Jahren im badischen Exil voller Überzeugung. Schließlich sei alles ein großer und glücklicher Zufall gewesen, so die in Mundenheim geborene und in Oggersheim und Friesenheim aufgewachsene Ludwigshafenerin. Das galt schon für ihren beruflichen Werdegang, denn eigentlich hatte sie nach der Realschule in Friesenheim Hotelfachfrau im damaligen Ramada-Hotel gelernt. „Aber getanzt habe ich schon immer.“ Seit sie 14 Jahre alt war, genau genommen. Dafür wechselte sie über den Rhein zur Tanzschule Stündebeek in Mannheim. „Mein damaliger Freund war Tanzlehrer. Deshalb habe ich bei Ursula Prossert-Stündebeek eine Ausbildung zur Tanzpädagogin im Gesellschaftstanz begonnen“, erklärt sie, wie aus dem Hobby langsam mehr wurde. Auch wenn sie damals nie den Gedanken an eine Selbstständigkeit gehabt habe. Kurz vor dem Abschluss erfuhr sie, dass die Tanzschule in Walldorf eine Nachfolger braucht. „Ursula Prossert-Stündebeek hat mich vorgeschlagen und ich habe es gemacht – mit 22 Jahren, drei Monate, nachdem ich meine Ausbildung beendet hatte.“ Die richtige Entscheidung. „Begonnen habe ich alleine und mit einem Studio.“ Mittlerweile betreut die 50-Jährige mit fünf Tanzlehrern und weiterem Personal Kurse in zwei Studios. „Wir sind groß geworden.“ Nicht ganz so kurzentschlossen, aber ähnlich zufällig sei auch ihr besonderes Angebot für Beinamputierte entstanden. Der in Walldorf beheimatete Verein „Anpfiff ins Leben“, getragen von der Dietmar-Hopp-Stiftung, hatte angefragt, ob sie sich ein solches Engagement vorstellen könne. „Meine erste Reaktion war, dass ich dafür ja gar keine Ausbildung habe“, erinnert sie sich. „Aber Stefanie Wild von der Vereinsführung hat mich beruhigt: Es gibt dafür keine Ausbildung.“ Diana Schütz, selbst Betroffene und Mitarbeiterin bei „Anpfiff ins Leben“, nahm ihr die Scheu. Deshalb entwickelte Mayer-Kronenberger gemeinsam mit Tanzlehrer Felix Bauer das neue Konzept. „Man kann das mit einer herkömmlichen Tanzstunde nicht vergleichen. Man muss auf jedes Paar individuell eingehen.“ Schließlich sei nicht nur jede Prothese etwas anders. „Es ist zum Beispiel ein enormer Unterschied, ob sie oberhalb oder unterhalb des Knies beginnt, ob sie links oder rechts sitzt und ob der Mann oder die Frau die Prothese trägt“, zählt Mayer-Kronenberger einen Teil der Probleme auf, für die Lösungen gefunden werden mussten. „Die Prothesen haben in der Regel keine Gelenke und nur wenig Spielraum“, erklärt Schütz. „Der Schwung für eine Drehung kommt zwar aus dem ganzen Körper, aber mit der Prothese hat man keinen Halt. Deshalb ist der Partner so wichtig“, ergänzt die Tanzlehrerin, die das Training aktuell nur vom Rand verfolgen kann, weil sie nach einer Knieoperation Tanzverbot hat. Aber ihr entgeht nichts, wenn Bauer die Paare aufstellt und unterweist, mal mit, mal ohne Musik neue Schritte einübt. Und das mit viel Spaß und großem Ehrgeiz, denn die Paare aus Walldorf haben ein großes Ziel. Sie eröffnen heute in Mannheim beim Rosengartenball im Rahmen des M-Motion-Tanzturniers eine Tanzrunde. „Wir haben das Projekt auf einer Tagung vom Bund Deutscher Tanzlehrer vorgestellt und ab Herbst will bundesweit knapp ein Dutzend Tanzschulen einen solchen Kurs anbieten“, erläutert die Lehrerin. Das freut auch die Tänzer, die zweimal im Monat bis zu 100 Kilometer Anfahrt auf sich nehmen, um zu tanzen. „Das hat gleich mehrere Vorteile. Zum einen ist Tanzen ein optimales Training für die Muskulatur oberhalb der Prothese. Es macht Spaß und man kann etwas mit seinem Partner unternehmen“, zählte Schütz auf. Viel Überzeugungsarbeit musste sie bei Sabine Mayer-Kronenberger nicht leisten. Und so erwies sich auch diese Entscheidung der Ludwigshafenerin in Baden als Volltreffer. Und für die Heimatgefühle in ihrer Tanzschule gibt es ein Gegenmittel: „Wir haben selbstverständlich Dubbegläser.“

Ihre News direkt zur Hand
Greifen Sie auf all unsere Artikel direkt über unsere neue App zu.
Via WhatsApp aktuell bleiben
x