Ludwigshafen Froschkönig auf dem Europaplatz

Bille und Stefan Behr, die Leiter des Theaters Anu, auf dem Europaplatz, wo die Vorbereitungen für „Wasser.Mythen.Mensch“ laufen
Bille und Stefan Behr, die Leiter des Theaters Anu, auf dem Europaplatz, wo die Vorbereitungen für »Wasser.Mythen.Mensch« laufen.

Das Theater Anu ist ein guter Bekannter beim Straßentheaterfestival. Bereits zum fünften Mal ist die Theatergruppe von der Bergstraße, die inzwischen in Berlin ihr Büro hat, in Ludwigshafen zu Gast. Thematisch dreht sich diesmal alles ums Wasser, die Produktion ist auf dem Europaplatz zu sehen und bildet heute und morgen Abend jeweils den geheimnisvoll-poetischen Abschluss der Festivaltage.

Dass hier ein magischer Ort entstehen soll, kann man sich jetzt noch nicht wirklich vorstellen. Das Pflaster brütet in der Hitze, Kreisverwaltung und Stadthaus verströmen sommerliche Lethargie, das Grün der Bäume kämpft an gegen den Verkehrslärm der Hochstraße, die knapp an diesem Platz vorbeiführt. Eine Parkgaragenzufahrt gibt es auch noch. Die Brunnenfontäne ist längst defekt, und nicht einmal die Wahlplakate verbreiten hier Optimismus. Der Europaplatz im Schatten des Rathaus-Centers ist eine Durchgangsstation für geschäftige Fußgänger. Ein magischer Ort zum Verweilen ist dies nicht. Aber das wird sich ändern. „Wir wollen Ludwigshafen ein wenig entschleunigen“, sagt Bille Behr und strahlt. Zusammen mit ihrem Ehemann Stefan Behr bildet sie das künstlerische Leitungsteam. Stefan Behr hat das Theater 1998 gegründet. „Damals war Theater auf der Straße sehr angesagt“, erinnert er sich, „ich war im Allgäu aufgewachsen und kam nach Augsburg zu einem Straßentheaterfestival“. Aber mehr als die spektakulären Aktionen interessierten ihn Künstler, die leisere Töne anschlugen. „Ich wollte mit meinem Theater eine kleine Welt erschaffen, die der Besucher ganz aus der Nähe kennenlernen kann.“ Stefan Behr ist für die Konzepte zuständig, Bille Behr führt Regie, dazu kommt noch der Bühnenbildner Martin Thoms. Theater Anu ist spezialisiert auf Theaterprojekte im öffentlichen Raum, auf Plätzen und in Parks, gelegentlich in Kirchen. Mehr als ein Dutzend Inszenierungen sind aktuell im Programm. In Ludwigshafen waren unter anderem die Lichtinstallation „Die große Reise“ auf dem Klüber-Platz zu sehen und das Fantasy-Märchen „Mora-Land“ auf der Parkinsel. Von letzterem Gastspiel ist Bille Behr noch heute begeistert, ein wunderschöner Ort sei das gewesen, das Publikum konnte eine ganz eigene Welt mit seltsamen Bewohnern erkunden. Auch beim neuen Projekt „Wasser.Mythen.Mensch“ können die Besucher auf Entdeckungsreise gehen. Es wird keine herkömmliche Aufführung mit festem Anfang und Ende geben, sondern eine Mischung aus Rauminstallation und Theaterperformance an fünf über den Platz verteilten Spielorten. Die Besucher können nach Belieben kommen und gehen und sich ihren Parcours selbst suchen. Am Ende sollen sich alle Eindrücke zu einer großen Geschichte zusammenfügen. Dabei geht es um das Wasser als für den Menschen lebenswichtiges Element, aber auch um Mythen und Legenden und archaische Rituale. Das Grimm-Märchen vom Froschkönig wird gleich zweimal erzählt, einmal aus der Sicht des Frosches und ein zweites Mal aus Sicht des Prinzen, der hier die Prinzessin ersetzt und dem seine goldene Kugel in den Brunnen gefallen ist. Auch die Sage der Undine, der Wassernymphe, die einen Menschen liebt, wird behandelt. „Wir interessieren uns für Märchen und Mythen, für regionale Sagen und überhaupt für Geschichten, die mündlich überliefert sind“, sagt Bille Behr. Das können die Geschichten der Scheherazade aus Tausendundeinernacht sein oder das Floß der Medusa, beim Theater Anu entstehen daraus Aufführungen, die sich ganz unterschiedlicher ästhetischer Mittel bedienen. In Ludwigshafen wird es Tanz und Schauspiel geben, leuchtende Wasserwände und geheimnisvolle Wege. „Bei uns gibt es kein Feuerwerk und keine grellen Effekte, aber es gibt poetische Szenerien zu entdecken, ein Spiel aus Nähe und Distanz“, verspricht die Theaterleiterin. Und nachts, wenn alle Straßenlampen ausgeschaltet sind, werde alles noch einmal geheimnisvoller und schöner. Inzwischen sind Gefäße und Plastikbeutel mit Wasser gefüllt, Netze bewegen sich sanft im Wind, auf dem Boden glimmen LED-Lichter. Und plötzlich sind vier türkische Kinder auf dem ansonsten leeren Platz. Was hier los ist, wollen sie wissen. Dass hier Theater gespielt werden soll, können sie noch nicht recht glauben, aber sie wollen wiederkommen und nachschauen. Es könnte sich lohnen. Termine Theater Anu „Wasser.Mythen.Mensch“ heute und morgen, jeweils 21.30 bis 24 Uhr, beim Straßentheaterfestival in Ludwigshafen auf dem Europaplatz.

Die verträumte Fantasy-Inszenierung „Mora-Land“ war im Jahr 2012 auf der Parkinsel zu bestaunen.
Die verträumte Fantasy-Inszenierung »Mora-Land« war im Jahr 2012 auf der Parkinsel zu bestaunen.
Mit der Lichtinstallation „Die große Reise“ war das Theater Anu 2009 auf dem Klüber-Platz zu Gast.
Mit der Lichtinstallation »Die große Reise« war das Theater Anu 2009 auf dem Klüber-Platz zu Gast.
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