Ludwigshafen „Einstellung zählt mehr als Können“

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Frau Holczer, Sie haben als Elfjährige, und damit eigentlich recht spät, mit Karate begonnen. Denken Sie manchmal, hätte ich früher begonnen, hätte ich noch mehr erreichen können?

Das glaube ich nicht. Ich bin ja selbst Trainerin von Anfängergruppen und merke immer wieder, dass die Sechs- oder Siebenjährigen noch große Probleme haben, sich länger zu konzentrieren. Aber mit elf Jahren zu beginnen ist sehr spät, vor allem, weil ich ja erst mal die Grundlagen lernen musste und erst mit 14 oder 15 Jahren Wettkämpfe bestritten habe. Zu Beginn haben Sie immer verloren. Haben Sie da nicht mal ans Aufhören gedacht? Ich hatte eine Phase, da wollte ich aufhören, habe mir sogar mal einen Taekwondo-Verein angeschaut. Die ersten Wettkämpfe waren nicht einfach. Ich dachte immer, ich bin gut, weil ich die Beste im Verein war. Aber im Wettkampf war ich dann die Schlechteste, das nagt schon am Selbstvertrauen. Da stellt man sich schon die Frage: Bin ich zu blöd dafür? Kann ich es nicht? Dann hat Sie eine Freundin mit nach Schifferstadt ins Training genommen. Das war meine Rettung. Ich habe nicht locker gelassen. Viele haben damals gesagt, ich sei schon zu alt, um etwas zu erreichen, weil ich ja schon fast in der Aktivenklasse war. Ich habe dann gedacht, denen zeige ich es, wollte es erst recht schaffen. Was ich dann ja auch geschafft habe, plötzlich habe ich bei Turnieren gewonnen. Wie sind Sie zum Karate gekommen? Das ist eigentlich eine ganz lustige Geschichte. Ein Arbeitskollege meines Vaters, der im Judoverein war, wollte meinen Papa dazu überreden, dass ich mit Judo anfange. Mein Vater, der früher selbst Judoka war, fand Judo allerdings nicht als geeignet für mich, weil da die Kleinen immer verlieren. Aber der Verein hatte auch noch eine Karate-Abteilung. Da habe ich dann angefangen und fand es von Beginn an cool. Auch, weil ich zuvor schon immer Karate Kid und andere Kampfsportfilme gesehen habe. Was auffällt, wenn man sich mit Ihnen unterhält: Nicht jeder Sportler spricht so offensiv über seine Ziele. Sie wollen immer den ersten Platz erreichen … Klar, das Ziel ist es immer, Erste zu werden. Das muss es auch sein. Wenn man an sich zweifelt, hat man keine Chance. Das heißt, die Einstellung muss stimmen? Die Einstellung zählt mehr als das kämpferische Können. Das hat jede meiner Gegnerinnen drauf. Daher entscheidet, wer selbstbewusster aufritt, wer mehr gewinnen will. Arbeiten Sie vor Wettkämpfen im mentalen Bereich? Eher weniger. Ich mache das mit mir selbst aus. Ich sage mir, dass ich nichts zu verlieren habe, kriege viel positive Unterstützung aus meinem Umfeld. Wenn man zu sich selbst steht, hilft einem das. 2020 ist Karate olympisch geworden. Und ich werde sehr wahrscheinlich nicht dabei sein. Wenn jemand nicht in das System reinpasst, dann hat er keine Chance. Die Bundestrainer haben nicht so das Auge auf mich geworfen. Damit muss ich Leben, und mache den Sport eben für mich selbst. Bleibt eine gewisse Resthoffnung? Ja, schon. Aber es ist sehr unwahrscheinlich, dass ich dabei sein werde. Sie sind angehende Lehrerin und schon länger Trainerin. Was reizt Sie daran, anderen etwas beizubringen? Ich finde es schön, andere voranzubringen und zu sehen, wie sie sich verbessern, wie sie sich freuen, wenn sie sich verbessern. Als Sportlehrerin ist man eher der Kumpeltyp für die Schüler, kann auch mal Spaß haben. Wobei man auch ernsthaft sein muss.

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