Ludwigshafen Eine russische Nachtigall

Zum letzten Mal mit Chefdirigent Karl-Heinz Steffens: Orchesterprobe beim Tag der offenen Tür.
Zum letzten Mal mit Chefdirigent Karl-Heinz Steffens: Orchesterprobe beim Tag der offenen Tür.

Wie in den vorigen Jahren herrschte beim Tag der offenen Tür in der Ludwigshafener Philharmonie auch diesmal großer Publikumszulauf. Vertreten waren so gut wie alle Alterskategorien, für die Belebung der von vornherein lockeren Stimmung sorgte lautstark der jüngste Publikumsteil. Der Tag der offenen Tür war auch wieder Auftakt für die neue Konzertsaison, die letzte mit Karl-Heinz Steffens an der Spitze der Staatsphilharmonie.

Das Programm lief nach dem gewohnten Schema ab: Es begann mit einer öffentlichen Orchesterprobe am Vormittag; am Nachmittag folgten ein Familienkonzert, Kammermusik in unterschiedlichen Spielarten, Kaffeehausmusik und zum Schluss ein Mitmachorchester, in dem Laienmusiker mit Philharmonikern unter Steffens’ Leitung zusammenspielten. Steffens und seine Philharmoniker haben eine gewisse Vorliebe für Strawinsky. Nachdem im letzten Jahr „Le sacre du printemps“ geprobt worden war, stand diesmal die „Pulcinella“-Suite auf dem Programm der Orchesterprobe. Das Stück ist ein Schlüsselwerk, das am Vorabend des Ersten Weltkriegs die neoklassizistische Periode in der modernen Komposition einläutete. Zudem wurde das Familienkonzert mit Ausschnitten aus der Märchenoper „Die Nachtigall“ des russischen Komponisten bestritten. In der Orchesterprobe bewies Steffens erneut seine außergewöhnliche Fähigkeit als Kommunikator. In „Pulcinella“ hatte Strawinsky italienische Spätbarockstücke in einer eleganten kompositorischen Handschrift der modernen Musik des frühen 20. Jahrhunderts anverwandelt. Steffens demonstrierte in Wort und Ton, durch Erklärungen und Klangbeispiele, „wie subtil Strawinsky in die barocke Kompositionen eingegriffen und sie mit der modernen Tonsprache zur Synthese geführt hat“. Der Dirigent brachte den Zuhörern den Aufbau der Stücke nahe, wies auf bitonale Konstruktionen hin, die „die Wahrnehmung der zeitgenössischen Zuhörer erweiterten“, und machte aufmerksam auf raffinierteste Klangwirkungen, darunter bizarre „Fagottseufzer“. So gewährte er den Besuchern einen Blick in die Werkstatt des Komponisten, ließ andererseits auch moderne Spielpraktiken vorführen und blieb auch elegant unterhaltsame Apercus nicht schuldig. Strawinskys „Nachtigall“ fand später in der Sopranistin Elsbeth Reuter eine im Ziergesang sehr gewandte Interpretin, die mit imponierender Leichtigkeit ein Feuerwerk bravouröser Koloraturen und Höhenflüge hinlegte. Vorzügliche Mitstreiter standen der Sängerin in der sprechenden und singenden Schauspielerin Illona Schulz und derm versierten Pianisten Randolf Stöck zur Seite. Einen Höhepunkt des Tages bildete im Kammermusikprogramm die ebenso brillante wie musikalisch inspirierte Wiedergabe von Mendelssohns Streichquartett in e-Moll durch das Chiarina Quartett mit Johanna Lastein und Daniel Kroh (Violine), Stella Sykora (Viola) und Ruth Bantay (Cello). Anschließend begleitete das Ensemble, diesmal mit Felicitas Laxa anstelle von Daniel Kroh, den Geiger Frieder Funk und den Kontrabassisten Wolfgang Günther bei ihrem glanzvollen, atemraubend halsbrecherischen Virtuosenstreich bei Giovanni Bottesinis Grand duo concertant auf Paganinis Spuren. Virtuosität zeigten auch die Violinisten Ionel Ungureanu bei der Kaffeehausmusik und Jefferson Schoepflin, als Geiger, Komponist, Sänger und Gitarrist ein wahres Multitalent, dessen „Lieder abseits der Klassikschiene“ begeisterte Aufnahme fanden. Ausgeklungen ist das Programm mit zwei Sätzen aus Bizets „Arlésienne“ – Suite Nr. 2 und Auszügen aus dem Finale von Beethovens neunter Sinfonie, aufgeführt vom Mitmachorchester unter Steffens. Die jungen Amateure spielten in bestem Einvernehmen mit ihren philharmonischen Mentoren. Das klingende Ergebnis war überraschend positiv.

x