Karlsruhe Zwischen alter und neuer Heimat

Ein Beispiel aus der Ausstellung: Mehmet Sölecy als junger Mann mit einer Saz, einer türkischen Gitarre. Sölecy machte 1985 in K
Ein Beispiel aus der Ausstellung: Mehmet Sölecy als junger Mann mit einer Saz, einer türkischen Gitarre. Sölecy machte 1985 in Karlsruhe seinen Meister im KfZ-Handwerk.

Was ist Heimat, was macht sie aus? Ist „Heimat“ nur das Land, die Region, in der man geboren wurde? Dann auch der Ort, an dem man nach Vertreibung oder Flucht, nach beruflicher Wanderung gelandet ist und der einem schließlich zur „zweiten Heimat“ wurde? Mit der Doppelausstellung „Karlsruher Heimaten“ versuchen sich Stadtmuseum und das Durlacher Pfinzgaumuseum an Antworten.

Den Rahmen für die Doppelausstellung bilden die baden-württembergischen „Heimattage“, die derzeit noch in Karlsruhe laufen (wir berichteten mehrfach). Bei der Zeitreise durch die Karlsruher Stadtgeschichte bis heute mit Kapiteln wie „Heimat suchen“, „Heimat finden“ oder auch „Heimat bauen“ wird deutlich, dass viele Menschen sich „ihre“ Heimat oft neu erfinden mussten. Das gilt für Flüchtlinge des 18. und 19. Jahrhunderts ebenso wie für die Aussiedler in den Banat oder nach Russland, die als Vertriebene wieder zurückkehrten, und sogar innerhalb der Fächerstadt selbst – wie beispielsweise die einstigen Bewohner des „Dörfle“, die bei dessen „Sanierung“ in den 1970ern in eine neue Umgebung umgesiedelt wurden. Die Ausstellung will deutlich machen: Städte unterliegen dem stetigen und nicht immer gelingenden Wandel. Der Mensch kann sich den zu Grunde liegenden Einflüssen wie Kriege, Veränderungen der Arbeitswelt und des gesellschaftlichen Zusammenlebens, aber auch Wohnungsknappheit oder Stadtsanierung, nicht entziehen. Ebenfalls herausgearbeitet ist in der Doppelschau, wie – hier eben am Beispiel Karlsruhe – Menschen sich nach ihrer Vertreibung und Flucht aus der verlorenen alten Heimat eine neue aufgebaut haben. Die Karlsruher Kirchfeldsiedlung ist dafür nur ein Beispiel. Die Fächerstadt von heute will eine weltoffene Stadt sein, schon angesichts all der hier lebenden Menschen aus aller Herren Länder. Der Schluss daraus könnte lauten: „Heimat“ darf keine Mauer sein, hinter der man sich verschanzt. Dazu tragen auch Informationen zu nach Brasilien ausgewanderten Karlsruhern, zu den Gastarbeitern der 1950er und 1960er Jahre oder Geschichten zu Neubürgern sowie Video-Interviews mit 16 sehr unterschiedlich „grundierten“ Karlsruhern bei, die ihre Definition von „Heimat“ erläutern und persönliche Gegenstände vorstellen. Besucher, so die Absicht, sollen Fragen mitnehmen und sich dann selbst befragen, was sie mit dem Begriff „Heimat“ verbinden. Im Pfinzgaumuseum wiederum stehen die Stadtteile im Mittelpunkt. Es geht um Stadtteilkultur, Geschichte, Landschaft und Architektur, Infrastruktur und soziokulturelle Aktivitäten. Diese Stadtteile wurden ja bis zur Eingemeindung ab dem früheren 19. Jahrhundert politisch-historisch und auch konfessionell sehr unterschiedlich geprägt. So wurde auf Grund der Ansiedlung der Waldenser in Palmbach und dem erst 1975 nach erbittertem Widerstand eingemeindeten Neureut noch lange Zeit Französisch gesprochen. Eine Vielzahl von Exponaten wird durch umfassende Information ergänzt. Und auch hier gelte, so die Durlacher Museumsleitern Aklexandra Kaiser: „Heimat muss offen sein für die Zukunft.“ Und sie muss den „Fremden“ auch ermöglicht werden. Info —Doppelausstellung „Heimaten“ bis 29. Oktober. Stadtmuseum im Prinz-Max-Palais: Dienstag und Freitag, 10 bis 18 Uhr, Donnerstag 10 bis 19 Uhr, Samstag 14 bis 18 Uhr, Sonntag 11 bis 18 Uhr, Montag/Mittwoch geschlossen. Pfinzgaumuseum: Mittwoch 10 bis 18 Uhr, Samstag 14 bis 18 Uhr, Sonntag 11 bis 18 Uhr. —Eine Kombikarte für beide Ausstellungen kostet vier Euro.

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