Kreis Südliche Weinstraße Silz: Krieg um Glaubwürdigkeit tobt

1957 zogen die ersten Kinder in das Kinderheim ein. Diese kommen zumeist aus schwierigen Familienverhältnissen.
1957 zogen die ersten Kinder in das Kinderheim ein. Diese kommen zumeist aus schwierigen Familienverhältnissen.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt noch wegen der Vorwürfe

Wer sagt die Wahrheit? Wer lügt? Passierten tatsächlich solch schwerwiegende Taten, wie es die Mutter K. aus Lambrecht und ihr Anwalt Michael Langhans behaupten? Oder steckt hinter den Missbrauchsvorwürfen nur der Rachefeldzug einer Mutter, der ihre Kinder entzogen wurden? Seit drei Jahren kocht es im Fall des Kinder- und Jugendheims Maria Regina in Silz. Was wirklich geschah, wissen nur die Betroffenen selbst. Schlussendlich hat die Justiz zu klären, wie das verzwickte Geschehen zu interpretieren ist. Das wird noch eine Weile dauern. Die Ermittlungen in dem Strafverfahren seien noch nicht ganz abgeschlossen, erklärt die Landauer Leitende Oberstaatsanwältin Angelika Möhlig auf Nachfrage. Doch der Krieg tobt auch auf anderen Schauplätzen. Ein vermisster Junge brachte den Stein ins Rollen Ein Blick zurück: Es war der Sommer 2014, als der Fall der Familie K. aus Lambrecht Schlagzeilen machte. Der damals zwölfjährige Sohn war für vier Wochen untergetaucht, weil er nicht zurück in das Silzer Kinderdorf wollte, wo er untergebracht war. Er hätte sich lieber umgebracht, als zurück ins Heim zu müssen, hatte er geäußert. Unterschlupf fand er bei einem Bekannten der Mutter, den sie in einer psychiatrischen Klinik kennengelernt hatte. Beide waren dort Patienten. Der Sohn war mit seinen drei Geschwistern nach Silz gekommen, weil der Mutter nach der Scheidung das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen worden war. Eine Gutachterin war zu dem Schluss gekommen, dass sie mit der Erziehung überfordert war. Sie dagegen sagt, dass dieses Gutachten falsch ist. Seitdem führt sie in der Sache einen erbitterten Streit gegen die Behörden, hat noch eine Klage gegen die Gutachterin vor dem Landgericht Frankenthal laufen. Die Kinder sind seit 2014 wieder bei der Mutter. Aber der Konflikt geht weiter. Denn sie sagt, dass nicht nur ihre Kinder in dem Heim schlecht behandelt worden seien, sondern auch weitere Schutzbefohlene. Der Anwalt, die Vorwürfe und die Medien Ihr treu zur Seite steht Michael Langhans, mit dem zusammen sie weitere angebliche Opfer aufgespürt hat. Der Anwalt aus Donauwörth sprach 2016 von 54 Kindern und Jugendlichen, denen in Silz von 2000 bis 2014 körperliche und psychische Gewalt angetan worden sein soll. Die Vorwürfe reichen von Isolation bis zu Vergewaltigung. Die Erzieher hätten teils selbst mitgewirkt oder weggeschaut. Die Vorwürfe wiegen schwer, ziehen sie doch den bis dato tadellosen Ruf des Kinderheims schwer in Mitleidenschaft. K. und Langhans sind alles andere als pressescheu, vertreten den Fall immer wieder eifrig und medienwirksam. Das Kinderheim wehrt sich mit einer einstweilligen Verfügung Deswegen ist der Träger der Einrichtung, die St.-Dominikus-Krankenhaus- und Jugendhilfe GmbH in Ludwigshafen, im Juni 2016 auch mit einer einstweiligen Verfügung gegen Äußerungen Langhans’ vorgegangen, wie Medienreferent Robert Schelp vom Landgericht Landau bestätigt. Nach Informationen der RHEINPFALZ wird ihm danach untersagt zu verbreiten, dass Kinder in Silz „psychiatrisiert, drangsaliert und manipuliert, einige vergewaltigt, andere isoliert“ wurden. Ebenso darf er nicht mehr äußern, dass in Silz „Übergriffe wie Tritte, Schläge, Kürzungen der Essensrationen, Isolation oder andere Maßnahmen von Zeitzeugen als normal bewertet wurden“. Heimleiter Michael Eberhart bezeichnet die Vorwürfe der „K.-Gruppierung“ als „abenteuerlich“. Gegenüber der RHEINPFALZ sprach er 2016 von „Rufschädigung, Verleumdung, eine große Schweinerei“. Aber Langhans machte mit seinem Feldzug weiter, nach seiner Darstellung, um die Wahrheit ans Licht zu bringen. So hatte er im März eine Online-Petition unter dem Titel „Heimskandal Rheinland-Pfalz – Misshandlungen und Missbrauch in Kinderheimen? Aufklärung für RLP, Hilfe für die Opfer“ veröffentlicht und nach der einstweilligen Verfügung nicht aus dem Netz genommen. Zudem hielt er am 7. Juli 2016 parallel zur Pressekonferenz des Kinderheims eine eigene in Lambrecht ab, um seine Sicht der Dinge darzustellen, bei der er wieder Misshandlungsvorwürfe aussprach. Mit Beschluss vom 9. August und 14. Dezember 2016 ordnete das Landgericht Landau deswegen Ordnungsgeld von 5000 Euro und 2500 Euro an, wie Medienreferent Schelp bestätigt. Bis heute hat Langhans diese nicht bezahlt. Das gibt er auch unumwunden zu. „Die können das Geld vollstrecken. Für die Wahrheit hocke ich mich auch in Ordnungshaft.“ Der Anwalt, der bald kein Anwalt mehr ist Wie es überhaupt zu diesem Gespräch mit der RHEINPFALZ kommt, ist eine Sache für sich. Denn unter seiner Kanzlei-Telefonnummer, seiner Handynummer und seiner dienstlichen Mailadresse ist Langhans nicht mehr zu erreichen: „Falsche Rufnummer“, „Rufnummer nicht bekannt“, „mail delivery failed“. Auch seine Homepage und seine Kanzlei-Facebookseite sind aus dem Netz verschwunden. Heimleiter Eberhart behauptet, Langhans habe seine Zulassung verloren. Im Internet kursiert ein Statement Langhans’, er gebe seine Zulassung mit Wirkung zum 30. Juni 2017 zurück. Ein Anruf bei der Rechtsanwaltskammer München bringt nicht viel Aufklärung. „Das ist schwierig zu sagen, wir unterliegen der Verschwiegenheitspflicht“, so Geschäftsführerin Brigitte Doppler. Auch dürfe sie keine Auskünfte darüber geben, ob es Beschwerden gegen ihn gegeben habe. Im Internet ist da so einiges zu lesen: „Er ist seit vier Wochen weder per mail, noch in der Praxis zu erreichen, obwohl Gerichtstermin bevorstand“, so ein beispielhafter Google-Bewertungskommentar vom 2. Februar dieses Jahres. Mag sein, dass er zwischenzeitlich nicht erreichbar gewesen sei, das könne er pauschal nicht bestätigen oder negieren, gibt Langhans gegenüber der RHEINPFALZ an. Er löse gerade seine Kanzlei auf. Seine Zulassung habe er freiwillig zurückgegeben. Dies habe persönliche Gründe. Er führt an, dass er überwacht werde, Leute aus seinem Umfeld bedroht würden. „Im Rechtsstaat wird gelogen. Das kann ich nicht mit meinem Gewissen vereinbaren“, ist seine Einschätzung. Der Redaktion liegt ein Schreiben der Rechtsanwaltskammer München vor, das seine Zulassungsverzichterklärung bestätigt. Verdächtige Nähe auf beiden Seiten Erreicht hat die RHEINPFALZ Langhans schließlich telefonisch bei K. zu Hause in Lambrecht. Auch auf seiner privaten Facebook-Seite gab er Lambrecht zwischenzeitlich als Wohnort an. Peter Nöthen, Ortsbürgermeister von Silz und bis vor Kurzem Staatsanwalt in Landau, hatte schon 2016 das Verhalten Langhans kritisiert, das „jedwede Distanz zur Mandantin vermissen lässt“. Ob die beiden eine Beziehung miteinander haben oder nicht, dazu wollen sich beide nicht äußern. „Das geht niemanden etwas an“, reagiert K. Sie und ihr Anwalt nehmen im Gegenzug Anstoß an dem angeblichen „engen Draht“ von Vertretern aus Silz zur Staatsanwaltschaft. Immer wieder werfen sie dieser vor, die Ermittlungen zu verschleppen. Die Leitende Oberstaatsanwältin Möhlig entgegnet, dass der Fall komplex sei und rechtens vorgegangen werde. Langhans will seinen bisherigen Mandanten im Komplex Silz weiterhin beratend zu Seite stehen – nun „ohne die Beschränkungen meiner Anwaltszulassung“. Zu etwa zehn habe er noch regelmäßig Kontakt. 2016 war noch von 30 ehemaligen Heimbewohnern und Eltern die Rede, die er vertrete. Inzwischen seien andere Anwälte bereit, die Opferkinder zu vertreten, sagt Langhans. „Die nicht so systemkonform sind, nicht gleich kuschen.“ In den vergangenen Monaten hätten er und K. sich zurückgehalten, aber weitergearbeitet und „unser Beraterteam“ aufgestellt. K. spricht von sechs Leuten – „Whistleblower“, die auf die beiden zugekommen seien. Die Mutter – eine Polizistin, die derzeit nicht arbeiten darf Mit Ermittlungen kennt sich K. aus. Arbeitete sie doch als Polizeiinspektorin in der Vorderpfalz. Doch für die Polizei war sie offenbar nicht mehr haltbar. Seit 1. November ist sie für ein Jahr in den Ruhestand versetzt worden, wie sie berichtet. Sie sei für dienstunfähig erklärt worden. Eine RHEINPFALZ-Anfrage an das Innenministerium in der Sache von Mittwochmorgen blieb bis gestern unbeantwortet. „Die haben mich gemobbt, wollten mich psychiatrisieren, dagegen habe ich mich gewehrt“, so K. Aktuell laufe eine Klage vor dem Verwaltungsgericht Trier. Der RHEINPFALZ liegt ein internes Schreiben der Polizei vor, wonach schon nach dem Vermisstenfall 2014 beabsichtigt wurde, ein „Verbot der Amtsführung zu erwirken“, auf Basis der „Eigen- und Fremdgefährdungstendenzen“ von K. Laufendes Verfahren wegen Facebook-Veröffentlichungen Da K. ihre Sache auch immer wieder über ihre Facebook-Seite verbreitet, steht ihr jetzt ein weiteres Verfahren ins Haus. Es geht darum, dass sie Dokumente aus Strafverfahren auf ihre Chronik stellte, wie Landgerichts-Vize Schelp Informationen der RHEINPFALZ bestätigt. Mit einer einstweiligen Verfügung sei ihr dies untersagt worden. Da sie dagegen Widerspruch eingelegt habe, werde nun ein Termin für eine öffentliche Hauptverhandlung bestimmt. K. ist davor nicht bange, sie freut sich vielmehr darauf: „Endlich werden Zeugen und Opfer öffentlich gehört.“ Das Mutter-Anwalt-Duo hat eine ganze Palette an Verfahren laufen. Sie sei rechtsschutzversichert, sagt K. Aber nicht immer würden die Gerichtskosten gleich bezahlt. Sie stehe an der Pfändungsgrenze. Aber: „Kleinkriegen lassen wir uns nicht, auch nicht finanziell. Dafür haben wir Unterstützer“, ergänzt Langhans. Das Kinderheim wird noch lange an der Sache zu knabbern haben. Eine Sache, die für die Einrichtung eine zweifelhafte Kampagne ist, die Kinder und Mitarbeiter in Silz in Mitleidenschaft ziehe. Nun warten alle auf die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Landau, die seit Frühjahr 2016 ermittelt. Bereits von 2009 bis 2014 hatte es vier Anzeigen zu Fehlverhalten im Silzer Kinderheim gegeben – darunter von der Lambrechter Mutter, aber auch anderer Angehöriger. Alle Ermittlungen wurden eingestellt, weil kein hinreichender Tatverdacht bestand.

Ihre News direkt zur Hand
Greifen Sie auf all unsere Artikel direkt über unsere neue App zu.
Via WhatsApp aktuell bleiben
x