Kultur Südpfalz Sein Herr Käthe

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An Luther kommt im Gedenkjahr an die Reformation keiner vorbei. Auch nicht die weibliche Welt, für die man dieser Tage das Feld mit „Brot und Rosen“ bestellt. Unter diesem Motto lud die Protestantische Kirchengemeinde Herxheim in den Chawwerusch-Theatersaal zum Kammermusical „Wenn Engel lachen“ ein, das den großen Theologen in einer Produktion des Theaters Zauberwort aus Sicht seiner Ehefrau Katharina von Bora zeigt.

Katharina von Bora, die starke Frau an Luthers Seite, ist keine Unbekannte. Sie ist Protagonistin von Büchern und Filmen, war 1499 zu ihrem 500. Geburtstag markanter Kopf auf einer deutschen Sonderbriefmarke, ist Namenspatronin von Schulen, sogar einer Kirche und auch als „Lutherin“ ein Begriff. Musicalheldin war sie bislang aber noch nicht und das neue Gewand steht ihr recht gut zu Gesicht. Das liegt vor allem daran, dass Miriam Küllmer-Vogt die Rolle, die ihr von Ehemann Fabian Vogt auf den Leib geschneidert wurde, so herzerfrischend unbekümmert verkörpert, dass sich das Damals mit dem Heute locker verbindet. Die 500 Jahre sind wie weggeblasen, wenn es um wahre Gefühle geht, und im Ausdruck von Verliebtsein und Zweifel, Freiheitsdrang und Glaubensbekenntnis, Empörung, Trotz, und Wut, Selbstfindung und Mut, ist die singende und schauspielernde Pfarrfrau wirklich gut. Ihre Mimik und Gestik sind mädchenhaft kokett, ohne zu übertreiben, ihre monologischen Selbstgespräche und fingierten Dialoge mit Gott und den wichtigsten Personen in ihrem Leben sprühen vor Charme, Energie und Esprit. Auch gesanglich findet sie mit klarer Stimme und reiner Artikulation die richtige Balance zwischen großem Drama und leiser Emotion. Gernot Blume ist ihr ein verlässlicher und einfühlsamer Begleiter am Klavier, der mitunter kurz in die Handlung eingreift und in zwei besonders einprägsamen Liedern zum Duettpartner avanciert. All das macht den Abend so kurzweilig wie das Leben der Katharina von Bora, das in knappen Episoden mit wenig Requisiten aufgeblättert wird und von Anfang an mit der Reformation verwoben ist. Denn ohne Luthers aufwühlende Schriften hätte die junge Nonne, die schon als Fünfjährige ins Kloster gesteckt wurde, nicht ihr Gelübde gebrochen, um an Ostern 1523 aus dem Zisterzienserinnenkloster Marienthron bei Grimma ins aufgeklärte Wittenberg zu fliehen. Hier fand sie eine Anstellung im Haushalt des Malers Lucas Cranach dem Älteren, der in seinem Atelier auch Luther porträtierte. Mit dem Kirchenmann konnte sie zwar selbstbewusst diskutieren, verliebt hat sich Katharina von Bora aber in den Studenten Hieronymus Baumgartner aus Nürnberg, der sie abblitzen ließ, weil seine Eltern die Verbindung mit einer entlaufenen Nonne verboten. So waren es eher die Not und ein gesunder Pragmatismus, die Katharinas Aufmerksamkeit wieder auf Luther lenkten, den sie zuvor noch vergeblich mit ihrer Freundin Ava verbandeln wollte. Aber was ist aus dem tollkühnen und lebensmutigen Reformator nur geworden? „Ein Häufchen Elend“, ein Gebannter, der angesichts der ausufernden Reaktionen auf seine Ideen darum bangt, eingekerkert zu werden und falsche Entscheidungen zu treffen. „Denken kann er ja, aber leben fällt ihm schwer“ befindet Katharina und diagnostiziert: „Da muss eine Frau her – eine, die ihm den Rücken stärkt und zeigt, wo’s lang geht“. Und so wurde sie mit einem Trick zur praktischen Hälfte des theologischen Theoretikers, macht ihn zum sechsfachen Vater, schmiss couragiert das große Anwesen, betrieb Landwirtschaft, Viehzucht und eine Bierbrauerei, um all die Studenten zu bewirten, die hier zeitweise lebten und führte zu Pestzeiten ein Hospiz. Kein Wunder, dass sie wegen ihrer Tatkraft von Luther oft liebevoll „mein Herr Käthe“ genannt wurde – ein Titel, der dem Herxheimer Publikum nach dieser eindrucksvollen Aufführung, für die es viel Applaus gab, uneingeschränkt einleuchtete.

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