Kreis Germersheim Realitätscheck bei Debatten um Haushalt

Der Bundestagsabgeordnete Tobias Lindner.
Der Bundestagsabgeordnete Tobias Lindner.

Die Dichte der Lobbyisten hatte den grünen Bundestagsabgeordneten Tobias Lindner zunächst überrascht. Schließlich wird er als Mitglied des Verteidigungs- und des Haushaltsausschusses häufig angesprochen. Inzwischen hat er seinen eigenen Umgang mit ihnen gefunden. Mit den vergangenen vier Jahren ist Lindner „zutiefst unzufrieden“, die Große Koalition hat über 80 Prozent der Sitze, was sich unter anderem auf die Redezeiten ausgewirkt hatte. Im RHEINPFALZ-Gespräch blickt er zurück auf die Oppositionsarbeit.

Kurz vor dem Wahlkampf gab es noch eine Auszeit: Zwei Wochen Wandern in den kanadischen Rocky Mountains. „Kein Handynetz, keine Mails“, sagt Lindner. Er hat aus den Unterbrechungen in vergangenen Urlauben dazugelernt. Nur Büro und Botschafter wussten, wo sie ihn im Notfall finden konnten. Ein Ereignis hat ihn dann doch eingeholt: Der Absturz des Bundeswehrhelikopters in Mali, bei dem die beiden Piloten ums Leben kamen. „In der vorletzten Sitzungswoche ging es noch darum, ob der Hubschraubertyp geeignet ist, um bei Hitze und Staub zu fliegen“, sagt Lindner betroffen. Im Mai war er mit Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen in Mali. „Ich gehöre zu den drei, vier Leuten, die die Partei beraten, wie sie über Auslandseinsätze abstimmen sollen“, sagt Lindner. Er habe „vehement“ für die Beteiligung an dem Einsatz unter dem Dach der Vereinten Nationen plädiert. Solche Entscheidungen über Militäreinsätze zeigen, dass das Politikgeschäft oft eine Gratwanderung ist. Seit Juni 2011 ist Lindner im Bundestag, war Mitglied des Verteidigungs- und des Haushaltsausschusses. „Das ist ein unglaublicher Realitätscheck“, sagt er. Mit den letzten vier Jahren ist er „zutiefst unzufrieden“, da die Große Koalition mit 80 Prozent über eine überwältigende Mehrheit verfügt. Dazu kommt: „Ein Haushalt, der keine neuen Schulden macht, ist argumentativ schwieriger.“ Doch es sei ihm gelungen, Spuren zu hinterlassen. „Die Geldverschwendung muss gestoppt werden, an der einen oder anderen Stelle hat der Druck auch gewirkt.“ So bei der Debatte um das Sturmgewehr G36: Lindner war an einem Beschluss des Haushaltsausschusses maßgeblich beteiligt, dem zufolge sämtliche neuen Verträge erst dem Ausschuss vorgelegt werden mussten, „ein faktischer Beschaffungsstopp“, wurde Lindner damals bundesweit zitiert. Im Ausschuss zum Auswärtigen Amt habe er sich erfolgreich für mehr Mittel für humanitäre Zwecke eingesetzt. Der ehemalige Zivildienstleistende Lindner hat zwei Jahre gebraucht, um sich in die Verteidigungsmaterie einzuarbeiten. „Der rote Faden war die Materialmisere“, sagt er. Ein einschneidendes Erlebnis: Als noch Bundeswehrsoldaten im türkischen Incirlik stationiert waren, gehörte er zu einer der ersten Reisegruppen, die die Soldaten nicht besuchen durften. Natürlich hatte er in Berlin auch mit Südpfälzer Themen zu tun, nicht zuletzt mit den Planungen für die zweite Rheinbrücke. Der Rechnungsprüfungsausschuss, dem Lindner ebenfalls angehört, hat erst Ende Juni einstimmig das Bundesverkehrsministerium aufgefordert, „nachvollziehbar zu erläutern“, weshalb es Bedarf für den Bau gibt. „Die Datenbasis muss sauber sein“, betont Lindner. Schnell hatte er durch seine Ausschussarbeit Erfahrungen mit Lobbyisten sammeln müssen: Zwei Tage nach der ersten Sitzung wurde schon an seiner Tür geklopft, „manchmal erstaunlich plump“, sagt er. „Man muss sich klarmachen, der Industrievertreter ist nicht der beste Freund.“ Er hat seinen Modus gefunden, damit umzugehen. „Die Termine sind in meinem Büro, der Kaffee kommt aus meiner Maschine, es ist immer ein Mitarbeiter dabei.“ Sein Fazit nach vier Jahren: „Ich habe bewusst probiert, es mir als Oppositionspolitiker nicht einfach zu machen. 1724 veröffentlichte Zitate und Pressekontakte hat sein Büro in der vergangenen Legislaturperiode gezählt. Er hofft, dass die Grünen diesmal drittstärkste Kraft im Bund werden. Die Zeit von Koalitionsaussagen sei vorbei, betont er und merkt schmunzelnd an: „Keine Koalition wäre einfach, aber jede besser, wenn genug Grün dabei ist. “ Kontakt Der Internetauftritt ist unter der Adresse www. tobias-lindner .de zu finden.

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