Kultur Südpfalz Neue Musik mit Humor präsentieren

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Der Komponist Dietrich Eichmann hat in Karlsruhe bei Wolfgang Rihm und in Lüttich bei Frederic Rzewski studiert, Konzerte mit befreundeten Künstlern in Karlsruhe, Berlin und anderen Orten organisiert, ein eigenes CD-Label gegründet und für so renommierte Ensembles wie das Ensemble Modern komponiert. Bis zum Sommer lebt und arbeitet er als Stipendiat im Herrenhaus Edenkoben. Am Sonntag um 19 Uhr wird er einige seiner Stücke im Herrenhaus vorstellen.

Herr Eichmann, wie sieht das Programm für Sonntag aus?

Der Pianist Florian Steininger hat ein biografisches Programm zusammengestellt. Es sind drei frühe Stücke von mir dabei („Für A. D.“ und „A simple study in rhythm“ von 1987 und „Oh.“ Von 1988), außerdem „Nachstudie“ von Rihm, weil ich bei ihm studiert habe. In Belgien war ich Assistent von Rzweski, von dem ebenfalls ein Stück gespielt wird. Morton Feldmans Musik war eine wichtige Inspiration für meine Arbeit, von ihm ist deshalb auch ein Werk dabei. Die Auswahl aus „Vingt regards sur l’enfant Jésus“ hat Steininger als Vorgriff auf sein Konzert am 10. Mai im Karlsruher Tempel ins Programm genommen. Wie wird das Konzert im Herrenhaus ablaufen? Ich werde es moderieren und dabei ein paar Anekdoten einstreuen, es könnte also ein lustiger Abend werden. Als ich und die von mir gegründete Neue Komponisten Gesellschaft in den 1990er-Jahren eine Reihe von Rundfunkkonzerten in Karlsruhe hatten, haben wir selbst die ernsteste Musik nicht ohne Humor präsentiert. Ich habe Texte von Wolfgang Neuss gelesen, und wir kreierten auch mal ein Stück für Jodler, Alphorn, Männerchor und eine verstimmte Heimorgel. An welchem Stück arbeiten Sie gerade im Herrenhaus? An einem Oktett für Oboe, Klarinette, Fagott, Horn, Violine, Viola, Cello und Kontrabass. Sie schreiben Musik für die unterschiedlichsten Besetzungen, vom Klaviersolo bis zum Tanzabend. Was inspiriert Sie? Inspiration kann die Vorstellung einer abstrakten musikalischen Form sein, bestimmte Musikerinnen oder Musiker, ein Stück Literatur, eine politische oder gesellschaftliche Situation, die Notwendigkeit von Widerstand. Im Mai geben Sie eine Meisterklasse Komposition an der Karlsruher Musikhochschule. Was wollen beziehungsweise können Sie in der kurzen Zeit vermitteln? In den drei Tagen werde ich zunächst meine Arbeitsstrategien anhand einiger Partituren vorstellen und mit interessierten Studenten diskutieren. Am 17. Mai findet ein Porträtkonzert mit verschiedenen Stücken für Streicher statt. Die Entstehungszeit erstreckt sich über fast 30 Jahre, und so werden weitere Aspekte meiner Arbeit vorgestellt, die wahrscheinlich Diskussionsstoff geben. Außerdem werde ich für Einzelunterrichtsstunden zur Verfügung stehen. Vielleicht kann man am Ende interessante Arbeiten der Studenten gemeinsam unter neuen Aspekten diskutieren. Das Stipendium im Herrenhaus Edenkoben ist das jüngste einer Reihe von Stipendien, die Sie erhalten haben. Welche Rolle spielen Stipendien im Berufsleben eines Komponisten? Da staatliche und institutionelle Förderung des zeitgenössischen Komponierens nicht erst seit Neuestem minimiert und teils ganz abgeschafft werden, und die hoch oder zumindest dem Arbeitsaufwand entsprechend dotierten Aufträge, auch aus der Privatwirtschaft, aber nur in einem kleinen Zirkel derjenigen Künstler verteilt werden, die sich früh um Machtpositionen bemüht haben, spielen Stipendien von kleinen privaten Einrichtungen wie dem Herrenhaus Edenkoben eine wichtige Rolle. Sie ermöglichen es, sich wenigstens für eine begrenzte Periode ganz der schöpferischen Arbeit zu widmen. Leider aber sind die meisten so gering dotiert, dass sich die laufenden Kosten damit kaum oder gar nicht bestreiten lassen. Wie lebt und arbeitet es sich in Edenkoben, wenn man Berlin gewöhnt ist? Ich bin kürzlich auf ein Dorf im Fläming südwestlich von Berlin gezogen. Verglichen damit brummt in Edenkoben der Bär! Sie arbeiten selbst viel mit Improvisation. Wie viel Freiraum zur musikalischen Gestaltung geben Sie den Interpreten Ihrer Stücke? Im Großteil meiner Kompositionen ist Improvisation nicht vorgesehen. Die zwar sehr präzise Notation lässt den Interpreten aber einige Freiheiten in der Gestaltung, wenn sie sich das komponierte Material mit der Intensität des improvisierenden Musikers, der seine eigene Musik kreiert, aneignen. In einigen Werken stelle ich exakt auskomponiertem Material improvisierende Musiker gegenüber, wodurch die Arbeitsweise der Überlagerung verschiedener Zeitschichten um einen extremen Kontrapunkt erweitert wird, wie zum Beispiel in dem Konzert für großes Ensemble und improvisierenden Solisten „Prayer to the Unknown Gods of the People Without Rights“, das ich für den Free Jazz-Saxofonisten Peter Brötzmann und das Ensemble Modern geschrieben habe. Oder in dem Streichquartett „Flight for Liudas“, zu dem ein improvisierender Sopransaxofonist hinzutritt. Dieses Stück können Sie am 17. Mai in Karlsruhe hören, der Solist wird Vlady Bystrov sein. Wie sah Ihre allererste Begegnung mit Musik aus? Als ich drei Jahre alt war, fielen mehrere Plattenspieler meiner Eltern meinen Bemühungen, die wenigen Schallplatten mit klassischer Musik im Haushalt immer wieder zu hören, zum Opfer, bis vorläufig kein Plattenspieler mehr angeschafft wurde. Was machen Sie zur Entspannung? Ich lege einen Obst- und Gemüsegarten an und spiele mit meinem Sohn Tischtennis. | Interview: Nike Luber

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