Kreis Germersheim „Mal ein Weinchen lang freuen“

«Hagenbach». „Hagenbach werde ich nie vergessen“, ruft Jens Spahn, Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, gut gelaunt in die Runde. Dann verlässt er regendurchnässt das Rathaus. Zuvor hatte sein Termin für den Bundestagsabgeordneten Thomas Gebhart vom CDU-Sommerfest auf dem Rathausplatz wegen eines Gewittersturms erst in die Kirche St. Michael, dann in das Rathaus verlegt werden müssen.

Eineinhalb Stunden zuvor: Nur langsam füllt sich der Rathausplatz. Bei dem Fest wird erst abends richtig was los sein, aber in den Terminplan des Staatssekretärs habe nur der Nachmittag gepasst, sagt Gebhart. Bis 15.15 Uhr sind zirka 50 Zuhörer gekommen, Spahn beginnt seinen Vortrag „Deutschland 2021. Wohlstand für alle“. Das „Nachwuchstalent“ (Zitat Gebhart) spricht locker und frei, dank provokanter Einschübe sehr unterhaltsam. „Uns geht es verdammt gut. Aber kaum geht es zwei bis drei Jahre gut, ist es für die Deutschen selbstverständlich, kommentiert Spahn die wirtschaftliche Entwicklung und zählt auf: Rekordbeschäftigung, Bundeshaushalt ohne Neuverschuldung, Rentenerhöhung. „Da könnte man sich doch mal ein Weinchen lang freuen.“ Regen setzt ein, erst leicht, dann stärker. Politiker und Zuhörer rücken unter dem grünen Zelt zusammen, Spahn spricht zeitweise ohne Mikrofon. Im Planungsrecht müsse sich dringend was tun, betont Spahn. „Es macht mich wuschig“, dass Überschüsse entstehen, weil Geld nicht verbaut wird. Immer wieder setzt es Seitenhiebe, mal gegen die Grünen („Tut nur der moralisch Gutes, der für Frösche kämpft ...?“), mal gegen die SPD. Oft steuert der CDU-Politiker Beispiele aus der eigenen Familie bei, so wenn es darum geht, auch Älteren die Teilnahme am Arbeitsmarkt zu ermöglichen: Sein Vater fahre mit über 70 Jahren noch Maschinenteile aus, „jetzt ist er so gelassen, wie ich ihn mir früher gewünscht hätte“. Digitalisierung, Migration – Spahn kommt gerade richtig in Fahrt, als ein heftiger Platzregen mit Sturmböen einsetzt. „Das ist zu gefährlich“, ruft Ute Lins, Vorsitzende der Frauen-Union im Landkreis Germersheim. Der größte der Teil Gruppe flüchtet sich in die Kirche, nur wenige ins Rathaus. „Das ist eine Geschichte, die wir uns noch in fünf Jahren erzählen können“, sagt Spahn schmunzelnd und plaudert mit Bürgern. Als der Regen etwas nachlässt, geht es gemeinsam in den Ratssaal des gegenüberliegenden Rathauses. Alle sind vom Regen durchweicht, aber fast alle sind noch dabei. „Das habe ich noch nie erlebt“, sagt Gebhart. Eine Notlösung angesichts der kritischen Wetterlage – sonst findet im Rathaus natürlich kein Wahlkampf statt. Zeit bleibt für Fragen der Bürger und da gibt es viele. Es geht um die Steuerbelastung von kinderlosen Paaren, die Mietpreise in Ballungsräumen, das Ehegatten-Splitting. „Sie sagen immer, den Rentnern ist es noch nie so gut gegangen“, kritisiert eine ältere Dame. Dabei sei es bei vielen „eine Katastrophe“. Spahn gesteht schließlich zu, dass es „den“ Rentner nicht gibt, sondern durchaus Härtefälle. „Ich nehme das mit als Hinweis, besser zu formulieren“, verspricht Spahn der erzürnten Rentnerin. Und weiter geht es für den Staatssekretär, zu den Wahlkampfterminen Nummer acht und neun an diesem Tag.

x