Landau Landauer Richter Ruppert: „Juristerei ist Leben pur“

Die Strafprozessordnung von 1912 muss reformiert werden, sagt Richter Urban Ruppert.
Die Strafprozessordnung von 1912 muss reformiert werden, sagt Richter Urban Ruppert.

Gegenüber: Urban Ruppert hat sich in seinem neuen Büro eingerichtet. Nach dem Wechsel ans Amtsgericht Landau zieht der ehemalige Strafrichter Bilanz.

13 Jahre hat der heute 59-jährige Urban Ruppert der Ersten Großen Strafkammer des Landgerichts Landau vorgesessen. Mord und Totschlag, Bandenkriminalität und, und, und – die richtig miesen Fälle werden dort verhandelt. Jetzt ist er stellvertretender Amtsgerichtsdirektor in Landau (wir berichteten am 21. Juli) und kann es etwas ruhiger angehen, wenn auch nicht minder engagiert, wie sich im Gespräch mit der RHEINPFALZ schnell abzeichnet.

Ruppert: „Ich will kreativ sein“

Als Ermittlungsrichter – Untersuchungshaft ja oder nein – bewegt sich Ruppert auf seinem ureigenen Gebiet, betont er. Und als Jugendrichter möchte er gern noch dem Glauben anhängen, man könne etwas bewegen, wenn man mit den jungen Menschen spricht. „Ich will kreativ sein“, lautet sein Credo. Oh ja, auch Juristen könnten kreativ sein: „Das Studium der Juristerei ist immer das Leben pur.“

Auch am Wochenende gearbeitet

Das Leben pur. 10.000 Seiten. So schwerwiegend die Delikte, so dick bemessen sind die Akten der Verfahren, durch die sich die Laien- und die Berufsrichter der Ersten Großen Strafkammer des Landgerichts kämpfen. „Große Routine hilft.“ Urban Ruppert hat jedes Wochenende Arbeit mit nach Hause genommen. Nach Stationen am Bundesgerichtshof und am Oberlandesgericht in Zweibrücken kehrte er nach Landau zurück. Zunächst als Beisitzer der Ersten Großen Strafkammer des Landgerichts.

Lehrauftrag vorstellbar

Die Strafprozessordnung kenne er im Schlaf, sagt der Jurist. Er könne sich einen Lehrauftrag an den Universitäten in Mannheim oder Mainz vorstellen. Und noch besser: Gäbe es eine Kommission zur Reformierung der Strafprozessordnung, dann würde der Praktiker dort gern aus dem Nähkästchen plaudern. Dass es eine Reform braucht, daran lässt Ruppert keinen Zweifel. „Die Prozessordnung stammt von 1912.“ Es gebe Reformbedarf ohne Ende. Heute müssten Verfahren stringenter geführt werden. Nur mit kürzeren Prozessen könnten die Gerichte der Vielzahl der Fälle gerecht werden. Ruppert hat es vorgemacht: „Alle Verfahren wurden innerhalb von sechs Monaten abgehandelt. Weil ich jedes Wochenende gearbeitet habe.“

Nur ein Urteil aufgehoben

Überhaupt ist der Richter mit dem Resultat seiner Arbeit zufrieden. Nur ein Urteil sei aufgehoben worden - „und das war Politik“. Gemeint ist der Fall des Eifeler CDU-Landtagsabgeordneten Billen 2011, eigentlich ein Fall fürs Amtsgericht, erläutert Ruppert. Dass er sich damit befassen musste, begreift er heute noch als Ärgernis. Der Fall sei ein gutes Beispiel dafür, wie sehr man aufpassen müsse, dass die Justiz ihre Unabhängigkeit zu verteidigen habe. Damals habe er sich von der Politik persönlich angegriffen gefühlt. „Parteien kommen und Parteien gehen. Der Rechtsstaat ist wichtiger. Und ich bin immer noch da.“ Zur Sache: Das Landgericht Landau hatte Billen vom Vorwurf freigesprochen, von seiner Tochter, einer Polizistin in der Südpfalz, geheime Daten über Geschäftspartner der SPD-Landesregierung beim Ausbau des Nürburgrings erhalten und an die Medien weitergespielt zu haben. Der Bundesgerichtshof hob das Urteil auf und verwies es ans Landgericht Frankenthal, wo Billen Ende 2013 zu einer Geldstrafe von zehn Tagessätzen verurteilt wurde – insgesamt 3600 Euro.

Psychische Belastung ist groß

„Ohne Humor geht’s nicht“, beschreibt Ruppert den Richterjob. Um diesen Beruf zu ertragen, brauche man viel Humor, müsse bereit sein, viel Kultur aufzunehmen und eine Frau an seiner Seite haben, die das mittrage. Der Richter sei heute nicht mehr unantastbar. Die psychische Belastung sei groß, Urteile würden nicht mehr ohne Weiteres akzeptiert. Ruppert hat im Gerichtssaal in Abgründe geblickt. Dass er den Glauben an das Gute im Menschen nicht verloren hat und seelisch heil geblieben ist, könne nur in seiner glücklichen Kindheit begründet liegen, meint er. Mit zwei Brüdern und einer Schwester ist er in Bundenthal aufgewachsen, in Dahn zur Schule gegangen.

Abgründe der Menschen spannend

Bei ihm sei das Interesse an der Psychologie gewachsen. „Es gibt nichts Schrecklicheres als den Menschen. Dann lernt man diese Fälle zu lieben. Und dann gibt es nichts Spannenderes als die Abgründe der Menschen.“ Auch, wenn sich jemand einer schweren Straftat schuldig gemacht habe, könne man diesem Menschen etwas abgewinnen, erzählt Ruppert. In seiner ganzen Laufbahn sei ihm das vielleicht nur fünfmal nicht gelungen.

Ruppert fordert Supervision

Die Richter finden Halt nur im Austausch mit den Kollegen der Kammer. Statt der 70. unsinnigen Fortbildung müsste es eine Mediation oder Supervision am Gericht geben, moniert der 59-Jährige. „Da kommt eine Zeugin mit einer psychosozialen Begleitung in die Verhandlung und der Richter sitzt da allein.“ Es sei Sache des Dienstherrn, des Landes, dies besser zu regeln. In Landau schätzt Ruppert das gute Betriebsklima, mit den Richtern und mit den Mitarbeitern der Geschäftsstelle. Da gebe es keine Hierarchie, das sei eben die Pfälzer Mentalität.

Aus Selbstschutz Wechsel zum Amtsgericht

Warum nun der Wechsel ins Amtsgericht? „Selbstschutz“ – die letzte Phase des Arbeitslebens bereite so besser auf den Ruhestand vor. Ihn habe nicht die Arbeitsbelastung zum Wechsel motiviert, sondern die Vorstellung, aus dem stressigen Job heraus in den Ruhestand zu gehen. Amtsgerichtsdirektor Franz Weisbrodt beendet im Februar sein Arbeitsleben. Urban Ruppert hat sich auf die Stelle nicht beworben. Er möchte weiterhin als Richter mit den Menschen zu tun haben. Hart geht der Vater von zwei erwachsenen Söhnen (24 und 19 Jahre) mit der großen Politik ins Gericht, geißelt deren Beliebigkeit. Die Wirtschaftskriminalität sei total unterbelichtet im deutschen Strafsystem. Schwere Straftaten würden nicht geahndet. Als Beispiel nennt Ruppert die Deutsche Bank, die die Welt an den Rand des Ruins bringe.

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