Kreis Südliche Weinstraße Kostenloser Haarschnitt für Bedürftige

Zu erkennen sind die Barber Angels an schwarzen Lederwesten mit aufgenähten Vereinsemblemen. Die „Uniform“ trägt Lena Müller-Pet
Zu erkennen sind die Barber Angels an schwarzen Lederwesten mit aufgenähten Vereinsemblemen. Die »Uniform« trägt Lena Müller-Petzold auch bei der Arbeit in ihrem neuen Friseursalon im Pfalzklinikum.

Klingenmünster: Weihnachten ist die Zeit der Nächstenliebe. Aber nicht nur über die Feiertage ist Lena Müller-Petzold für andere Menschen da. Sie schneidet Obdachlosen und Bedürftigen kostenlos die Haare, als Mitglied der Barber Angels. Vor Kurzem hat die 33-Jährige einen Friseursalon eröffnet – an einem ungewöhnlichen Ort: im Pfalzklinikum.

Auf die Aktivitäten der im November 2016 gegründeten „Bruderschaft der Friseur-Engel“ ist Lena Müller-Petzold auf Facebook aufmerksam geworden. „Ich habe mir angeschaut, was die so machen und gedacht: Das ist doch eine echt gute Sache“, erzählt sie. Lange überlegen musste die Friseurmeisterin nicht. Anfang des Jahres hat sie sich bei den Barber Angels registriert, im März hatte sie dann ihren ersten Einsatz. Berührungsängste hatte sie nicht. „Ach was, ich bin ein offener Mensch, ich gehe auf jeden zu“, sagt sie. Die Barber Angels arbeiten mit karitativen Einrichtungen wie Caritas und Diakonie oder den Wohnungslosenhilfen in den Städten und Gemeinden zusammen. Ihre Einsatztermine werden an den Schwarzen Brettern in Bahnhofsmissionen und Kirchengemeinden bekanntgegeben. „Die Termine sind immer sonntags oder montags, weil Friseure da normalerweise frei haben“, sagt Müller-Petzold und muss lachen. Denn in ihrem neuen Friseursalon gibt es auch an diesem Montag viel zu tun.

Mit 40 Friseuren nach Mallorca

Im Einsatz für die Friseur-Engel war sie schon im Saarland, in Hannover und in Palma de Mallorca. „Da hatten wir einen Großeinsatz: Wir sind mit 40 Friseuren nach Mallorca geflogen“, erzählt sie. Dazu muss man wissen, dass die Barber Angels nicht nur kostenlos arbeiten, sie bezahlen auch Reisekosten und Unterkunft aus der eigenen Tasche. „Auf Mallorca habe ich dann noch ein paar Tage Urlaub drangehängt“, sagt Müller-Petzold. Auch ihre Ausrüstung bringen die Friseure selbst mit. „Wir haben aber gute Sponsoren“, versichert die 33-Jährige. An Shampoo, Bürsten, Kämmen oder Spiegeln besteht kein Mangel. Zumeist kann den Bedürftigen auch noch etwas mitgegeben werden. „Es ist ein tolles Gefühl, wenn man in diese dankbaren Augen schaut“, sagt Lena Müller-Petzold. Häufig fließen Tränen. Manche der Obdachlosen freuen sich auch darüber, in ihrem Friseur einen Zuhörer gefunden zu haben. „Einige wollen reden, andere nicht, das bleibt jedem selbst überlassen.“ Dabei gibt es Schicksale, die Müller-Petzold nicht so einfach wieder loslassen. „Vielen Menschen ist gar nicht bewusst, wie schnell es abwärts gehen kann, wenn man mal in dieser Spirale drin ist. Viele Obdachlose sind schuldlos da reingeraten“, weiß die Friseurmeisterin. Aktiv sind die Barber Angels nicht nur in Deutschland und Spanien, sondern auch in Österreich, der Schweiz und den Niederlanden. In weiten Teilen Deutschlands sind sie bereits eine feste Institution. „Nur die Pfalz hinkt da noch ein bisschen hinterher“, sagt die aus Erlenbach stammende und in Landau lebende Müller-Petzold. Nur vier Mitglieder gibt es in Rheinland-Pfalz und dem Saarland. Sie sollen die komplette Region abdecken und möglichst einmal im Monat ihre Dienste für Bedürftige anbieten. „Ich hoffe, dass sich noch ein paar Friseure in der Pfalz finden“, sagt sie.

Von Landau nach Klingenmünster

Gerne dürfen sich interessierte Berufskollegen auch bei ihr in ihrem neuen Salon im Pfalzklinikum in Klingenmünster melden. Noch ist sie dabei zu renovieren, sie hat aber schon geöffnet. Dass sie nun auf dem Gelände des Pfalzklinikums ihrer Arbeit nachgeht, ist auch eine ungewöhnliche Geschichte, schließlich hatte Lena Müller-Petzold erst Anfang 2018 ihren Friseursalon Haar1 in der Landauer Xylanderstraße eröffnet. „Eine Kundin, die hier im Pfalzklinikum beschäftigt ist, hat mich gefragt, ob ich jemanden wüsste, der den Friseursalon im Pfalzklinikum übernehmen könnte“, erzählt sie. Dieser war seit rund drei Monaten geschlossen. Lena Müller-Petzold hat sich den Salon angeschaut und dann schnell entschieden: „Ich mache das.“ Innerhalb von drei Wochen hat die Mutter von zwei Jungs ihren Salon in Landau geschlossen und ihr neues Domizil in Klingenmünster eröffnet. Natürlich spielten auch wirtschaftliche Gründe eine Rolle. „Ich habe hier nur einen Bruchteil der Fixkosten im Vergleich zu Landau“, gibt sie offen zu. Bereits in der ersten Woche war der Ansturm gewaltig. „Ich hätte noch ein paar Hände mehr gebraucht. Auf Dauer werde ich noch Personal einstellen, wenn ich jemanden finde“, sagt sie. Schließlich klagt auch das Friseurhandwerk über Personalmangel. Einige ihrer Kunden sind Mitarbeiter des Pfalzklinikums, die sich in ihrer Mittagspause oder nach Dienstschluss noch schnell die Haare schneiden lassen. Aber auch viele Patienten nehmen ihren Service in Anspruch. Im neuen Jahr plant sie, einmal im Monat Termine in der geschlossenen Abteilung der Forensik anzubieten. „Ich bin echt schon gespannt, wie das so ist. Angst habe ich aber nicht“, sagt Lena Müller-Petzold. Für einen echten Friseur-Engel gibt es auch dort einiges zu tun.

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