Kreis Germersheim Glück kann man lernen

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Nicht nur Bildung, sondern auch Lebenskompetenz vermitteln – das hat sich die Realschule plus in Kandel (RS+K) zum Ziel gesetzt. Eine noch weitgehend unbekannte Möglichkeit, um das Ziel zu erreichen, eröffnet sich durch das Wahlpflichtfach „Glück“. Die RS+K ist eine von nur fünf Schulen in Rheinland-Pfalz, die das Fach anbieten.

An der RS+K können die Schüler aus einem großen Wahlpflichtfachangebot wählen. Neben den klassischen Fächern wie Hauswirtschaft und Sozialwesen (HuS), Technik und Naturwissenschaft (TuN), Wirtschaft und Verwaltung (WuV) und Französisch, gibt es auch schuleigene Fächer. Eines davon ist seit 2016 das Fach „Glück“. „Kinder haben heute alle Freiheiten, wissen aber noch nicht, was sie damit anfangen sollen“, erklärt Cornelia Geiser, Rektorin der Realschule plus. Abhilfe schaffen soll das Fach „Glück“. Das Wahlpflichtfach wird über eine Dauer von zwei Jahren für die 8. und 9. Klassen angeboten. Susanne Gerdon, die das Fach an der RS+K unterrichtet, geht darin mit ihren Schülern der Frage nach, „wie man vom Erdulder des Lebens zum Gestalter wird“. Es soll um die Kerninhalte Lebenskompetenz, Lebensfreude, Lebensführung und Persönlichkeitsentwicklung gehen. Teil des Unterrichts sind unter anderem die Aspekte Körperwahrnehmung, Ernährung, körperliches und seelisches Wohlbefinden, Lebensträume erkennen und formulieren und Freude am Leben. Außerdem gehe es darum, dass sich die Schüler ihrer Fähigkeiten bewusst werden, erklärt die Glückslehrerin. Auch sollen sie für die Bewältigung von schwierigen Situationen und Lebenskrisen geschult werden. Dazu bringt die Lehrerin ihren Schülern unter anderem Entspannungsübungen bei. „Das wird immer wichtiger, denn es ist statistisch belegt, dass es einen Anstieg von Depressionen bei Jugendlichen gegeben hat.“ Zum Glücksunterricht gehören auch Projekte. Beispielsweise lud die Schule Jacqueline Fritz ein, die in jungen Jahren ein Bein verlor und trotzdem die Alpen überquerte. In einem Vortrag erzählte sie den Jugendlichen, wie sie ihr lebensveränderndes Erlebnis überstand und neue Kraft gewann. Im Januar hatte Susanne Ger-don ein Training im Boxclub Kandel zum Thema Kortisolabbau organisiert. Als nächstes würde sie gerne ein Teamtraining im Kletterpark „Fun Forest“ in Kandel, einen Workshop mit dem Klangtherapeuten Jörg Fassl und ein Teamtraining mit Slacklineworkshop mit dem Team von „Balanceworks“ planen. „Da muss ich aber noch sehen, wie es finanziell machbar ist“, meint sie. Im Jahr 2015 hatte sich Gerdon, die außerdem Englisch, Französisch und HuS unterrichtet, dazu entschlossen, eine einjährige Ausbildung zur Lehrerin für „Glück“ zu absolvieren. Diese wird vom DRK in Mainz in Zusammenarbeit mit dem Ernst-Fritz-Schubert-Institut in Heidelberg angeboten. „Die Ausbildung kostet 2400 Euro. Mit Fahrtkosten und Unterkunft ist man schnell bei 3000 Euro“, erzählt sie. Sie habe glücklicherweise Sponsoren gehabt, erzählt sie. Die Ausbildung zum Glückslehrer müssen die Teilnehmer stets selbst bezahlen. Auch auf die Unterstützung ihrer Eltern war die allein erziehende Mutter angewiesen. Diese kümmerten sich an den Ausbildungswochenenden um ihre Tochter. „Mit der Ausbildung habe ich mir einen Lebenstraum erfüllt“, sagt Gerdon. Dass sie gerne etwas in dieser Richtung machen würde, wusste sie schon seit 1999, als sie gerade ihr Referendariat beendet hatte und an einer Fortbildung mit dem Thema „Ganzheitliches Lernen“ teilnahm. Den entscheidenden Impuls habe sie 2015 über ein Projekt mit einer 10. Klasse, bei dem die Schüler das Thema „Glück“ vorstellten, bekommen. Noch im selben Jahr begann sie mit der Ausbildung. Das Fach gibt es seit 2007 und wurde von Ernst Fritz-Schubert in Heidelberg begründet. Damit es in Kandel eingeführt werden konnte, musste Gerdon zuerst einen Antrag stellen. „Meine Kollegen haben mich sofort unterstützt und auch die Schulleitung hat direkt eingewilligt“, freut sich Gerdon. Das sei keine Selbstverständlichkeit. Andere Glückslehrer, mit denen sie sich ausgetauscht hatte, hätten ihr von Schwierigkeiten und Skepsis berichtet, die sie hätten überwinden müssen. Das Feedback, das sie bisher erhalten habe, sei gut. „Manche Fünftklässer fragen schon, wann sie endlich Glück wählen dürfen“, sagt Gerdon. Derzeit unterrichtet sie elf Kinder in dem Fach, ist aber zuversichtlich, dass es im nächsten Jahr mehr werden. Marktplatz regional |hkt

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