Karlsruhe Ein Flügel, ein Flieger

Georg Fahland und der „Akaflieg“-Vorsitzender Simon Grafenhorst beim Kleben eines Bauteils.
Georg Fahland und der »Akaflieg«-Vorsitzender Simon Grafenhorst beim Kleben eines Bauteils.

Im Werkstattgebäude auf dem Campus-West des KIT herrscht derzeit auch in der Nacht regelmäßig Hochbetrieb. Gut zwei Dutzend Mitglieder der akademischen Fliegergruppe „Akaflieg“ sind im Hinterhofgebäude in der Hertzstraße zu Gange und fertigen in mühevoller Handarbeit Spezialbauteile für ihr neues Sportgerät. Geheimhaltung oder die Angst vor Spionen aus der Luftfahrttechnik ist dabei aber ebenso wenig der Grund für die Nachtarbeit wie der eng getaktete Vorlesungsplan in den Nachmittagsstunden – es geht einzig und alleine um die Wärmeempfindlichkeit des für das Verkleben von Einzelteilen benötigten Kunstharzes. Das Harz wird nämlich heiß, wenn es angerührt wird, bei Temperaturen über 25 Grad wird es zu heiß: „Sonst fängt das Harz direkt nach dem Mischen zu brennen an“, erklärt Projektleiter Georg Fahland die Vorsichtsmaßnahme. Den überwiegende Teil der bislang rund 15.000 Arbeitsstunden für die Entwicklung und den Bau des neuen Seglers „AK-X“ haben Fahland und seine Mitstreiter allerdings tagsüber absolviert. Bereits seit über vier Jahren arbeiten die studentischen Konstrukteure an dem Projekt und bis zum Jungfernflug des Prototypen werden noch mindestens 24 Monate vergehen. „Es ist ein echtes Mammutprojekt“, so Fahland, „aber wir betreten schließlich auch komplettes Neuland“. Der „AK-X“ ist nämlich ein so genannter Nurflügel und deshalb können kaum Erfahrungswerte aus vorherigen „Akaflieg“-Projekten verwendet werden. „In einem solchen Flugzeug werden nur Bauteile verbaut, die auch Auftrieb garantierten und dass sind meistens die Flügel“, so Fahland. Der Rumpf eines herkömmlichen Segelflugzeugs mit Kabine und Hecksteuerung wurde deshalb von den angehenden Ingenieuren auf den Prüfstand gestellt und auf das Notwendigste reduziert. „Einen Sitzplatz für den Piloten braucht ein Segelflugzeug natürlich trotzdem“, weiß Fahland und deshalb ist das „Cockpit“ in einer lediglich knapp drei Meter langen und noch nicht einmal einer Meter breiten ovalen Rumpf ohne Hecksteuerung untergebracht. Die Konstruktion der Steuerung war bei der bisherigen Entwicklung nur eine der zahlreichen Hürden. „Der wunde Punkt bei Nurflügeln ist die Neutralpunktlage“, stellt Fahland klar, „denn wenn der Schwerpunkt zu weit hinten liegt, beginnt das Flugzeug schnell zu flattern.“ Um den Schwerpunkt des „AK-X“ möglichst weit nach vorne zu legen, stehen die beiden Flügel in einem bestimmten Winkel nach hinten ab und bilden vorne eine Art Pfeilspitze. Und für die experimentelle Berechnung des Neutralpunkts wurden in der Karlsruher Werkstatt ferngesteuerte Modelle mit Spannweiten von bis zu 7,50 Metern gebaut und bei Probeflügen auf ihre Stabilität getestet. Außerdem wurde noch das schwanzlose Segelflugzeug „SB-13“ der „Akaflieg“ Braunschweig und der Nurflügel der Brüder Horten, welcher während des Zweiten Weltkriegs gebaut wurde, analysiert. Ein erstes Modell samt dem ersten Flügel ihrer Segelfliegers präsentierten die akademischen Flugzeugbauer bereits Anfang April auf der Luftfahrtmesse „Aero Expo“ in Friedrichshafen. Bis Ende des Jahres soll nun der zweite Flügel fertig gestellt werden. Im kommenden Jahr müssen dann noch das Fahrwerk und die Steuerung eingebaut und zahlreiche Tests durchgeführt werden. Auf den ersten Flug mit dem „AK-X“ ist Fahland aber bereits heute gespannt: „Nach unseren Berechnungen hat ein Nurflügel einen optimierten Auftrieb und eine bessere Gleitleistung als herkömmliche Segelflugzeuge.“ Heißt: Der Nurflügler kann bei gleichen Bedingungen weiter segeln als ein konventioneller Segelflieger. War das dann den großen Aufwand wert? „Auf jeden Fall“, sagt Fahland, denn wer in einem Nurflügler segeln will, muss ihn seiner Ansicht nach auch in naher Zukunft selber bauen. „Die meisten Hersteller von Segelflugzeugen sind eher mittelständische Betriebe mit kleineren Stückzahlen“, so Fahland, „und deshalb sind die Entwicklungskosten für den Bau eines Nurflügels schlichtweg zu hoch“.

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