Kreis Südliche Weinstraße Besuch von Außerirdischen

Ein Außerirdischer „scannt“ hier mit einem speziellen „Messgerät“ die Gehirne der Schulkinder.
Ein Außerirdischer »scannt« hier mit einem speziellen »Messgerät« die Gehirne der Schulkinder.

Es summt und brummt wie in einem Bienenkorb. Nur viele, viiiiiele Dezibel lauter. Wenige Minuten vor der Aufführung herrscht aufgeregtes Gewusel. Der Kameramann richtet sein Stativ aus, zwei Mädchen suchen ihre Freundin, ein Junge mit grün bemaltem Gesicht ruft: „Ich kann meine Maske nicht finden!“ Ethik-Lehrerin Anja Rötzer behält den Überblick und wirkt gelassen – Kamera läuft, Mädelstrio komplett, Ersatzmaske gefunden. Die jungen Schauspieler zeigen ein ausgeprägtes Bewusstsein für ihre Rollen und der fließende Wechsel zwischen Erzählmodus und szenischer Darstellung macht den fantasievollen Handlungsverlauf sehr anschaulich. Zum Auftakt erscheinen „grüne Männchen“, Außerirdische, die sich mit ihrem Ufo verflogen haben, und jetzt verwirrt beisammenhocken. Das Essen, das ihnen zwei Mädchen am Nebentisch reichen, finden vier von ihnen „würg, bääh, igitt, brr“, während der Fünfte sich genüsslich den Bauch reibt. Sieh an, soll die Botschaft lauten: Geschmacksunterschiede gibt’s also auch bei den Aliens. Dumm nur, dass es keine gemeinsame Sprache mit den Mädels gibt – da muss der Translator ran, ein handliches Gerät, das alles übersetzt. Verwundert reiben sich die Grünen die Augen, als vor ihnen zwei Jungen einen anderen zu Boden schubsen, ihn treten und beschimpfen: „Du Opfer, wasch dich, geh weg aus unserem Land.“ Die Aliens sind empört: „Spinnen die?“ Außerirdische Technik muss ran, um eine Diagnose zu stellen. Die Grünen laufen durch die Zuschauerreihen und „scannen Gehirne“: „Piep. Skelette identisch. Piep, Hypnosestrahlen im Gehirn. Scan abgeschlossen.“ Die Aliens treffen eine Entscheidung: Die „Rassisten“ sollen als „Proviant“ ins Raumschiff gepackt werden, die „Guten“ bleiben da. Jetzt stellen sich andere Schulkinder in einer Reihe auf – in Größe, Figur, Aussehen und Hautfarbe sind sie so unterschiedlich, wie es nur irgend geht. „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, intonieren sie im Chor, „alle Menschen sind gleich, egal welche Religion oder Hautfarbe, egal ob arm oder reich.“ In rascher Folge wechseln die Szenen, die jungen Darsteller überzeugen durch intensives Spiel, einige von ihnen sind Flüchtlingskinder und erst seit wenigen Monaten in dieser Schule – ihre Texte sprechen sie ohne zu stocken. Die Klasse 7e hat im Musikunterricht eigens einen Rap verfasst: „Wie soll es auf der Welt Frieden geben, wenn wir uns schon wegen unserer Herkunft oder Religion so fertig machen?“ lautet eine der Zeilen, gerappt von Milo und Ergit. Eindrucksvoll veranschaulichen Projektteilnehmer, was sie über Rassentrennung gelernt haben – sie halten Schwarz-Weiß-Fotos aus den 60er-Jahren hoch, als der schwarze US-Bürgerrechtler Martin Luther King seine berühmte Rede „I have a dream“ hielt und es noch nach Hautfarben getrennte Toiletten und Bussitze gab. Dramaturgisch eindrucksvoll: Der Aufmarsch des „Ku Klux Klan“, in weiße Laken mit Sehschlitzen gehüllte Schüler. „1865 in den Südstaaten gegründet, hatte dieser Geheimbund 1924 circa fünf Millionen Mitglieder“, zitierte eine Schülerin, „es gibt ihn noch heute“. Vor die verhüllten Kapuzenköpfe werden große Fotos gehalten: wie etwa das von US Präsident Trump, „der verbieten will, dass Muslime in die USA einreisen“. „Macht eure Augen auf gegen Rassismus und jede Form von Unmenschlichkeit“, gibt Rötzer ihren Schülern am Schluss mit auf den Weg. Demet-Irem, 13, die bei der Aufführung mitwirkte, erzählt nach der Vorstellung, sie habe bereits als Grundschülerin erfahren müssen, was Ausgrenzung bedeute: „Ich wurde beleidigt und gemobbt, ich habe mich halbwegs daran gewöhnt, aber manchmal habe ich auch geweint deswegen.“ Die zwölfjährige Taimaa aus Syrien erinnert sich an ihre Anfangszeit in der Klasse – „ich habe kein Wort verstanden und war Außenseiter“. Für die Ethiklehrerin Anja Rötzer ist es wesentlich, dass die Kinder lernen, einander zu respektieren und sich mehr auf Gemeinsamkeiten als auf Unterschiede zu konzentrieren. Projekte wie diese Aufführung tragen dazu bei.

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