Rheinpfalz Was man in der Schule nicht lernt

Auch die 20 Schautafeln zur ehemaligen DDR fanden das Interesse der Schüler.
Auch die 20 Schautafeln zur ehemaligen DDR fanden das Interesse der Schüler.

„Für mich war der Volksaufstand vom 17. Juni 1953 in der DDR ein wahrer Glücksfall und Wendepunkt in meinem Leben“, berichtete der im Osten aufgewachsene Paul Grunwald am Dienstag bei der Eröffnung der DDR-Ausstellung „Mythos und Wirklichkeit“ der Konrad-Adenauer-Stiftung am Siebenpfeiffer-Gymnasium Kusel.

Nach kurzen Begrüßungsreden von Direktorin Angelika Gröneveld-Olthoff und Karl-Heinz van Lier, dem Leiter des Landesbüros der Konrad- Adenauer-Stiftung, lauschten die rund 50 Besucher den Erfahrungen, die der Zeitzeuge in seiner Kindheit und Jugend in der DDR gesammelt hat. Grunwald wurde 1939 in Ostpreußen geboren und kam als Waisenkind in die spätere DDR. Nach einem mehrjährigen Aufenthalt im Kinderheim wurde er von verschiedenen Familien aufgenommen, was aber erst beim dritten Anlauf ein gutes Ende nahm. Wegen schlimmer Erfahrungen mit der sowjetischen Armee, die unter anderem seine Mutter getötet hatte, entwickelte Grunewald nach und nach eine tiefe Abneigung gegen Kommunismus und Sozialismus, weshalb er nach und nach an Demonstrationen gegen die Sowjets und das DDR-Regime teilnahm. So war Grunwald auch als 13-Jähriger an dem berühmten Volksaufstand am 17. Juni 1953 beteiligt. Die Menschen demonstrierten vor allem für bessere wirtschaftliche Bedingungen, wurden aber brutal von der sowjetischen Armee gestoppt. Grunwald berichtete, dass er mit in den ersten Reihen marschierte, als die ersten Schüsse fielen und er blutend zu Boden sackte. So sei er als jüngstes Opfer einer Schussattacke in die Geschichte der DDR eingegangen, was den Behörden äußerst peinlich gewesen sei – denn warum sollte ein 13-Jähriger eine Gefahr für den Staat darstellen. „Ich lag danach drei Wochen im Krankenhaus und bekam von vielen Menschen Besuch und Geschenke, es war, so absurd es klingt, eine tolle Erfahrung und ich war etwas stolz“, erinnerte sich Grunwald. Da seine Gastfamilie unterdessen einen Ausreiseantrag gestellt hatte, durfte sie unter der Bedingung, dass sie den jungen Querulanten mit in den Westen nimmt, ausreisen: „Es war ein großes Glück und ein Wendepunkt in meinem Leben – ich wurde verwundet, bewundert und durfte ausreisen“, berichtete der 77-Jährige. Auch von weiteren kleinen und großen Ungerechtigkeiten des Lebens in der DDR wusste Grunwald zu berichten, beispielsweise den Versorgungsengpässen und den sehr strengen und Angst einflößenden Grenzkontrollen. Weil er sich nicht in der Freien Deutschen Jugend engagierte, sei es ihm untersagt gewesen, auf eine Oberschule zu gehen – obwohl er der Beste seiner Schule gewesen sei. Auch über die Beschränkungen der Reisefreiheit erzählte Grunwald einiges. DDR-Bürger mussten lange vor Reiseantritt Urlaub beantragen und bekamen diesen nur in wenigen Fällen gestattet. Auch die Reiseziele seien sehr begrenzt gewesen. Nach den zirka 60-minütigen Erzählungen hatten die Schüler und Besucher die Möglichkeit, Fragen zu stellen. So interessierte eine Schülerin beispielsweise, wie Grunwald es geschafft habe, all die Erfahrungen zu verarbeiten und nicht daran zu zerbrechen. Er antwortete, dass er nur eines daraus gelernt habe: Man muss nach dem Fallen wieder aufstehen. Ein weiterer Schüler wollte wissen, ob Grunwald der Ansicht sei, die heutige Jugend sei politisch nicht genügend engagiert. Hierauf hatte der ehemalige Schulrektor keine Antwort. Er wisse nicht, ob die Jugend, abgesehen von der 68er-Bewegung, jemals wirklich politisch aktiv gewesen sei. Nach der Fragerunde wurde eine Ausstellung mit 20 Schautafeln eröffnet. Die Plakatwände zeigen noch bis zum 29. August viele Aspekte des Alltags der DDR, beispielsweise wie mit Musikern umgegangen wurde, wie die Grenzsicherung funktionierte, wie die Staatssicherheit arbeitete, das Wirken der Freien Deutschen Jugend und vieles mehr. Sie versucht aber auch einige Mythen der DDR zu enttarnen, zum Beispiel, dass viele Bürger gar nicht ausreisen wollten, dass die Preise gar nicht so stabil waren wie behauptet, oder dass für jedermann genügend Essen, Wohnungen und Autos zur Verfügung standen. Die Schüler waren von der Ausstellung sowie dem Zeitzeugenbericht tief beeindruckt: „Ich fand es wirklich sehr interessant, vor allem die Anekdoten seines Lebens. Es ist etwas ganz anderes als die Zahlen und Fakten, die wir im Geschichtsunterricht zu hören bekommen“, erklärte Hannah Kaiser nach der Veranstaltung. Sie finde es toll, dass ihre Schule so etwas anbiete. Auch Kim Pfeiffer fand es sehr interessant und vor allem detailreich: „Er hat seinen Vortrag wirklich sehr spannend gestaltet, solche Sachen lernt man in der Schule ja auch einfach nicht.“ Auch von der Ausstellung sei sie sehr angetan, hier gebe es vieles zu entdecken und es sei sehr übersichtlich gestaltet. Marc Voborsky haben vor allem die Erzählungen über den Aufstand am 17. Juni 1953 sehr beeindruckt: „Ich finde es bewundernswert, wie man in solch einem Staat so viel Mut beweisen kann. Auch die Ausstellung finde ich sehr gelungen, es gibt hier viele verschiedene Informationen über alle Aspekte des Lebens wie Sport oder Musik.“ Beispielsweise habe er nicht gewusst, dass Musik der Beatles zu hören in der DDR verboten war.

x