Kreis Kusel „Kein Stress, sondern Lebensfreude“

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Hätte er als Junge nicht Deep Purple verehrt und, weil er sich keine Hammondorgel leisten konnte, deren Zehn-Minuten-Stück „Child in Time“ an der Orgel im Musikladen rauf und runter geübt, wäre Purple Schulz vielleicht immer noch der Rüdiger. So nämlich lautet der eingetragene Vorname des Liedermachers und Multiinstrumentalisten. Den Spitznamen gab es nicht von den Eltern, sondern vom Musikladen-Personal. Am Samstag, 1. April, 20 Uhr, gastiert der 60 Jahre alte Kölner im Saalong in Schönenberg-Kübelberg. Im Gepäck hat er ein paar der alten Hits, Nachdenklich-Emotionales vom neuen Album und viel rheinischen Humor. Den bewies er auch im vergnüglichen Interview mit unserer Mitarbeiterin Klaudia Gilcher.

Ihr aktuelles Programm und Ihr gerade erschienenes Album heißen „Der Sing des Lebens“. Was ist der Sing Ihres Lebens?

„Der Sing des Lebens“ bedeutet, dass ich das Leben in den Konzertsaal hole und dabei nichts auslasse. Und wenn Sie so wollen, ist das auch der Sing meines Lebens: auf der Bühne zu stehen, Geschichten zu erzählen, über das Leben zu singen und die Herzen des Publikums mit der Musik zu berühren. In der Ankündigung heißt es, dass Purple Schulz über Dinge singt, über die andere noch nicht einmal sprechen. Welche sind das denn, also welche Dinge und welche anderen? In meinen Konzerten geht es immer ums Ganze. Da wird teils herzhaft gelacht, aber es geht auch richtig in die Tiefe. Es geht um das ganze Leben, mit all seinen Höhen und Tiefen. Da kenne ich keine Tabus. Noch ein Zitat aus der Ankündigung: Sie singen „aus vollem Herzen, mit Haltung und Verstand“, heißt es da. Welchen Anteil haben der Bauch und der Kopf in Ihrer Persönlichkeit? Sie gehören zueinander, aber sie sind in der Lage, unabhängig voneinander ihren Job zu machen (lacht). Mein Bauch kümmert sich um die Musik und der Kopf um den Inhalt. Ich schreibe die Songs gemeinsam mit meiner Frau Eri, die einen außergewöhnlich klugen Kopf hat und mit der ich schon 31 Jahre zusammen bin. Und wir machen uns sehr viele Gedanken um diese Songs, sie sind sowas wie unsere Babys. Füllzeilen haben in unseren Texten nichts verloren. Und beim Konzert muss mein Kopf immer wach sein, damit ich auch spontan auf mein Publikum eingehen kann. Und wie würde Ihre Frau obige Frage beantworten? Ich denke mal, auch in diesem Punkt ist sie mit mir einer Meinung (lacht). Sie haben vor knapp zwei Jahren die Autobiografie „Sehnsucht bleibt“ herausgebracht. Was finden Sie einfacher – Gedanken in vier Minuten auszudrücken oder auf 250 Seiten? Dieses Buch zu schreiben, fiel mir sehr leicht, weil ich – selbst, wenn ich mal nur 20 Minuten Zeit hatte – jede davon schreibend zugebracht habe. Ich musste mich ja nur erinnern und reflektieren. Bei einem Song ist das etwas anderes. Da geht es ja darum, in relativ wenigen Zeilen Gefühle auf den Punkt zu bringen, die durchaus gesellschaftliche Befindlichkeiten widerspiegeln können. Erschwerend hinzu kommt, dass vielen Radiosendern schon ein Titel von fünf Minuten zu lang ist und sie gerne eine halb so lange Version hätten (lacht). Das fällt mir als jemandem, der mit Stücken großgeworden ist, die eine komplette Albumseite lang waren, mehr als schwer. Sie singen „Verliebte Jungs“ immer noch, bezeichnen sich aber längst als liebenden Mann. Vermissen Sie die Tage der großen Hits, der Radio- und Fernsehpräsenz? Große Hits und ihre ständige Wiederholung in den Medien bergen immer die Gefahr, dass man auf sie reduziert wird. Auch wenn ich einige davon immer noch in meinem Programm habe, kommen die Fans vor allem wegen der neuen Songs. Und das macht mich sehr glücklich, nicht zu meiner eigenen Coverband mutieren zu müssen, um die Säle voll zu bekommen (lacht). Sie haben sich aus angesagten Streaming-Diensten verabschiedet, wenn ich es recht weiß. Warum? Alben bringen Sie ja weiterhin heraus ... Weil Musik ihren Wert hat. Von dem kommt durch die Streamingdienste aber nichts mehr beim Künstler an. Musik zu erschaffen, aufzunehmen und zu produzieren ist ja auch Arbeit und sehr zeitintensiv. Das muss ja irgendjemand bezahlen. Man geht ja auch nicht zum Bäcker und fordert ein kostenloses Brot mit der Begründung, das sei ja auch eine gute Werbung für seine Bäckerei. Diesen Unfug bin ich nicht bereit, mitzumachen. Außerdem schreiben wir ja immer ein komplettes Album, das seine eigene Dramaturgie hat. Man kann ja auch nicht einfach einen Akt aus „Macbeth“ reißen und glauben, man hätte verstanden, worum es dem Autor ging. Sie sind 60 und geben, allein von März bis Mai, 24 Konzerte und Lesungen. Müssen Sie, wollen Sie, wie stecken Sie den Stress weg? Sie könnten sich ja auch mit (ich zitiere hier mal die Zeitung mit den großen Buchstaben) Paläontologie beschäftigen oder sich ausschließlich ihrem Engagement für Demenzkranke widmen beispielsweise. Mein Tourplan ist ganzjährig mit Terminen gefüllt und ich gebe heute mehr Konzerte als in den 80ern. Aber das ist kein Stress, sondern Lebensfreude. Ich liebe es. Anstrengend ist nur, dass wir dafür rund 50.000 Kilometer im Jahr und viele Tage auf der Autobahn verbringen müssen. Aber wir sind ein tolles Team und haben viel Spaß. Allerdings ist dieser Beruf leider so zeitintensiv, dass keine Zeit bleibt, im Erdreich nach Fossilien zu wühlen (lacht). Noch ein Blick zurück: Haben Sie inzwischen eigentlich eine Hammond? Dieses „Child in time“ muss ich mir natürlich bei vielen Interviews anhören. Tja, das ist auch so eine Ungerechtigkeit des Lebens: Heute könnte ich mir ’ne Hammond leisten, aber jetzt habe ich keine Lust mehr, so ein Monstrum und vier Möbelpacker mit auf Tour zu nehmen (lacht). Info Tickets für das Konzert am Samstag, 1. April, im Schönenberg-Kübelberg Saalong gibt es unter anderem über www.anderswelt-event.de. |kgi

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