Kaiserslautern Das Verbrechen rekonstruieren

Michael Edinger und Claudia Steinbach mit Waffen, die die Polizei nach einem Gewaltverbrechen sichergestellt hat.
Michael Edinger und Claudia Steinbach mit Waffen, die die Polizei nach einem Gewaltverbrechen sichergestellt hat.

Mord, Raub, räuberische Erpressung, Banküberfälle: Für die Ermittlungen in Kapitaldelikten wie diesen sind die Beamten aus dem Kommissariat 11 zuständig. Am häufigsten haben es die Polizisten mit Tötungsdelikten und versuchten Tötungsdelikten zu tun. Im Schnitt gebe es etwa zwölf Tötungsdelikte im Jahr – versuchte und vollendete, wie Michael Edinger, stellvertretender Kommissariatsleiter, schildert.

„In allen Fällen wird intensiv ermittelt – egal ob sie bundesweit Aufmerksamkeit erlangen oder nicht“, betont Edinger. Manchmal sitzen die Ermittler einige Wochen an einem Fall, manchmal sind es Monate. Einen besonders herausragenden Fall gab es im Jahr 2008, erinnert sich Edinger. Das Verbrechen an sich habe nicht im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Westpfalz stattgefunden, sondern hatte seinen Ursprung in Ludwigshafen. Dass dennoch die Kaiserslauterer Beamten ermittelt haben, lag daran, dass eine Vertrauensperson (VP) des Landeskriminalamts in das Geschehen verwickelt war. Edinger umreißt das Verbrechen: Drei georgische Staatsbürger, die mit Bargeld ins Land eingereist waren, wollten in Ludwigshafen gebrauchte Autos kaufen. Zuletzt wurden sie gesehen, als sie auf einem Gebrauchtwagenmarkt zu einem Mann ins Auto stiegen. Danach galten sie als vermisst. Wie die Polizei ermittelte, handelte es sich bei dem Mann, der die Georgier mitgenommen hatte, um den VP des Landeskriminalamts. Gemeinsam mit seiner eigentlichen Zielperson, also dem Mann, den er überwachen sollte, hatte der Mann die drei Georgier ausgeraubt und getötet. „Die haben beide lebenslänglich bekommen“, erinnert sich Edinger, der seit 18 Jahren im K11 ist. Bei ihren Ermittlungen ist es die Aufgabe der Beamten, den Hergang eines Verbrechens zu rekonstruieren. „Wir nehmen den Tatort in Augenschein, sprechen mit Zeugen und Menschen aus dem persönlichen Umfeld des Opfers“, schildert Claudia Steinbach, die als Sachbearbeiterin im K11 arbeitet. Nach und nach soll so die Vorgeschichte des Verbrechens rekonstruiert werden. Augenzeugen gebe es selten, schildert Edinger. Und selbst wenn es Zeugen gibt, sei noch lange nicht sicher, dass diese auch die Wahrheit sagen. Manche erinnerten sich falsch, andere machten bewusst falsche Angaben – selbst dann, wenn sie gar keine Beziehung zum Täter haben. Warum das so sei, wisse keiner. Selbst dann, wenn ein Täter sein Verbrechen selbst bei der Polizei anzeigt und gesteht, gilt es für die Beamten, genau zu verstehen, wie sich das Verbrechen zugetragen hat. Auch hier gibt es Fälle, in denen Menschen einen Mord gestehen, den sie gar nicht begangen haben. „Die können teilweise sehr überzeugend sein“, schildert Edinger. In den meisten Fällen handele es sich um Beziehungstaten. Die Ermittlungen verlaufen selten geradlinig, sagt Steinbach. Häufig können die Beamten einen Teil der Tat nachvollziehen, aber nicht alles. Die Arbeit, die der Erkennungsdienst macht – DNA-Spuren sichern, Fingerabdrücke nehmen – spiele immer noch eine wesentliche Rolle bei der Ermittlungsarbeit. Die objektiven Spuren, die der Erkennungsdienst liefert, können den Nachweis bringen, den es braucht, um einem Verdächtigen ein Verbrechen nachzuweisen, sagt Steinbach. Sitzt ein Tatverdächtiger beim Verhör, ist Fingerspitzengefühl gefragt. „Dafür gibt es kein Rezept“, sagt Edinger. Die Fragen ergeben sich meist im Gespräch. „Mir ist jemand, der über Stunden lügt, lieber, als jemand, der gar nichts sagt“, berichtet Edinger. Denn selbst Lügen können helfen, das Gegenüber einzuschätzen. Manchmal brauche es allerdings auch Glück: So wie bei einem Tötungsdelikt im Jahr 2011, als eine Frau in einem Haus erschossen gefunden wurde. Der Täter hatte – wie sich später herausstellte – nichts mit dem Opfer zu tun. Damals war es eine Verwandte des Täters, die sich bei der Polizei meldete und davon berichtete, dass sich ihr Verwandter in letzter Zeit so seltsam verhalte. Das brachte die Beamten schließlich auf die richtige Spur. Einige der Bilder, die die Beamten in ihrem Alltag sehen, sind schwer wieder loszuwerden. Edinger und Steinbach haben ein Rezept für sich gefunden: „Wir können es nicht ungeschehen machen. Aber wir machen unsere Arbeit so gut wie wir können, um zu helfen.“

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