Kusel Das Ave Maria als Klingelton

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KUSEL. Den Sonntagsgottesdienst auf YouTube, online Beichten und mit dem Pfarrer im Seelsorge-Chat: In der digitalen Welt sind die Kirchen in der Region noch unterrepräsentiert. Allerdings sehen sie in sozialen Medien auch Chancen, mehr Menschen zu erreichen.

Schon die Präsenz im Internet unterscheidet sich stark. Während die protestantischen Dekanate Homburg und Lauterecken eigene Webseiten haben, macht sich Kusel darüber erst noch Gedanken. Einzelne Gemeinden des Kirchenbezirks sind im Netz gar nicht erreichbar. Andere, wie die Kirchengemeinde Kusel, investieren schon viel Zeit. Was eine aktuelle Präsenz an Ressourcen braucht, weiß Pfarrer Thomas Drumm aus Herschweiler-Pettersheim gut. Rund 170 Facebook-Freunde zählt der Theologe, der zudem twittert und Audio-Angebote bereithält. „Lieber keine Webseite als eine schlechte, die das Sommerfest vom vergangenen Jahr ankündigt“, findet Drumm. Gerade junge Leute orientierten sich stark im Netz. Dass wegen einer tollen Webseite jedoch mehr in die Kirche kommen, das glaubt er nicht. Die protestantische Kirchengemeinde Theisbergstegen zeigt mit dem hochgestreckten Daumen bei Facebook, was ihr gefällt. Auf der Webseite werden Besucher mit Glockengebimmel begrüßt. Die Pfarrbriefe des katholischen Dekanats können online gelesen werden. Die Pfarrgemeinde St. Ägidius arbeitet gerade an einer Aktualisierung ihrer Webseite. Sich im Internet neu präsentieren, das will auch die neue Großpfarrei im Südkreis. „Gerade die junge Generation schaut auf die Homepage“, weiß Pfarrer Stefan Czepl (Kübelberg). Die Zeiten hätten sich geändert: Anfragen zu Tauf- oder Hochzeitsterminen kämen heute per E-Mail. Als jemand, der „noch aus der Zeit kommt, wo es die LP und den Kassettenrekorder gab“, sei er über die Erfindung der E-Mail begeistert: „Das spart unheimlich Zeit.“ Allerdings sei er kein twitternder Pfarrer oder auf Facebook, denn er pflege das persönliche Gespräch und die Begegnung mit den Menschen. Czepl: „Das ist wesentlich für die Seelsorge.“ Auch die Beichte sei immer noch eine persönliche Angelegenheit. Online-Beichte ist nach Angaben des Bistums Speyer in der Diözese nicht im Angebot. Wie ein Sprecher der RHEINPFALZ sagte, werde sie aus pastoralen Gründen nicht für sinnvoll gehalten. Ohne den Einsatz zeitgemäßer Medien seien schon die ersten christlichen Gemeinden nicht ausgekommen, gibt der Kuseler evangelische Dekan Lars Stetzenbach mit Blick auf die Zeit der Reformation zu bedenken. Heute kenne er kaum einen Sender, der nicht täglich oder zumindest sonntags Kirche im Programm habe. Denn das Evangelium zu bezeugen – dazu gehöre die mediale und digitale Welt, stellt er klar. Gemeinschaft werde heute auch in virtuellen Räumen gelebt. Die Mittel sinnvoll zu nutzen, aber auch kritisch zu begleiten, darin sieht Stetzenbach eine Aufgabe der Kirche. Neben Themen wie Datenschutz und digitale Spuren betreffe dies vor allem die Frage nach der Seelsorge und dem Beichtgeheimnis. So stehe er digital geführten Seelsorgegesprächen kritisch gegenüber. „Twitter, WhatsApp und Facebook erweitern die Chance für die Vermittlung des Evangeliums und eröffnen Kirche neue Möglichkeiten“, ist Stetzenbach überzeugt. Beispiel Theisbergstegen: Dort erreiche seine Frau über Facebook viele Gemeindemitglieder und weise auf Veranstaltungen hin. Solche Einladungen würden geteilt und verbreiteten sich schnell. Als Hinweismedium habe Facebook das Gemeindeleben bereichert, sagt Stetzenbach. Auch WhatsApp hat Einzug in die Gemeindepraxis erhalten. So kommuniziert die Ulmeter Pfarrerin Regine Großmann über den Kurzmitteilungsdienst auch mit Flüchtlingen, die in ihrer Gemeinde leben. Die Kirchengemeinde Lauterecken ist nach Angaben von Dekanin Diana Lipps bei sozialen Medien nicht angemeldet. Aus dem Dekanat erhielt die RHEINPFALZ keine Hinweise über weitere digitale Angebote. Anders bei der protestantischen Pfarrei Altenkirchen: „Ich bekomme viele Nachrichten über Facebook, auch Anfragen zu kirchlichen Veranstaltungen“, sagt Pfarrerin Sabine Schwenk-Vilov. Beerdigungsanfragen über Facebook, das gab es zwar noch nicht. „Aber vielleicht in einigen Jahren“, schätzt sie. Auch Seelsorge per Chat könne sie sich irgendwann einmal vorstellen. Zwar bevorzuge sie das persönliche Gespräch, weiß aber auch um Vorteile, im Chat Dinge anzusprechen, weil die Distanz dies erleichtere. Generell gelte: „Nicht einfach mitmachen, sondern schauen, wo es passt.“ Das beurteilt der Homburger Dekan Thomas Holtmann ebenso. Dennoch sieht er in der Nutzung digitaler Medien auch eine Chance, die mittlere Generation zu erreichen. Derzeit beschränkten sich die Pfarrer des Dekanats auf Internetpräsenzen mit informierendem Charakter. „Keine Gemeinde nutzt bisher Twitter oder Facebook“, sagt Holtmann. Einzelne nutzten jedoch WhatsApp im Bereich der Konfirmanden. In der Jugendarbeit könne Kirche sich neuen Medien nicht verschließen, weiß er. Nicht nur für Junge lockt schon lange ein buntes Angebot: Da gibt es Gebets- und Beicht-Apps, das Ave Maria als Klingelton oder ein Hintergrundbild für den persönlichen Bibelspruch. Im Internet lässt sich zudem manche virtuelle Kerze anzünden. Und Lars Stetzenbach erlebte, wie ein Taufgottesdienst per Livestream zur Familie auf die andere Seite der Erdkugel übertragen wurde. Befürchtungen, dass all dies irgendwann den traditionellen Gottesdienst-Besuch ablösen könnte, hat Stetzenbach aber nicht. Denn das Abendmahl ist bisher nicht virtuell zu erhalten.

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